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Aus: Ausgabe vom 29.02.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Immobilienspekulation

Benko hat Schäfchen im Trockenen

Gläubiger geprellt, Warenhauskette ausgeplündert, überall Investitionsruinen – aber der Signa-Gründer wird sein Luxusleben weiterführen
Von Gudrun Giese
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»Irrsinnige Spekulationsgeschäfte«: Investitionsruine Luxuskaufhaus Lamarr in Wien (29.1.2024)

Eine kaum überschaubare Zahl halbfertiger Bauprojekte rottet in deutschen und österreichischen Städten vor sich hin. Schilder verkünden, dass hier »Signa« tätig war. Dieser Konzern mit seinen vielen Töchtern ist zahlungsunfähig. Schuldenberge, Investitionsruinen und die Reste einstmals wichtiger Warenhausketten künden von irrsinnigen Spekulationsgeschäften eines »Selfmade«-Milliardärs.

Dass René Benko, Immobilieninvestor und Gründer des Signa-Konzerns, ein schlechter Ruf anhaftete, war vor über zehn Jahren weithin bekannt. Als der Österreicher 2010 die insolvente Warenhauskette Karstadt übernehmen wollte, wehrten sich die damalige Insolvenzverwaltung, Belegschaft und Betriebsräte. Den Zuschlag erhielt der Immobilieninvestor Nicolas Berggruen, der aber auch nur im Sinn hatte, mit Karstadt Kasse zu machen. 2013/14 verkaufte er mit gutem Profit – an Benko. Der lagerte die »Luxuswarenhäuser« KaDeWe in Berlin, Alsterhaus in Hamburg und Oberpollinger in München ebenso in eigene Gesellschaften aus wie die Karstadt-eigenen Immobilien in seinem Portfolio.

Ähnlich ging es bei der Warenhauskette Galeria Kaufhof zu, die damals schwarze Zahlen schrieb. Doch die Eigentümerin Metro AG wollte die Warenhäuser unbedingt loswerden, allerdings keinesfalls an Benko, der sich 2014/15 um sie bemühte. Statt dessen kam das kanadisch-US-amerikanische Handelsunternehmen Hudson’s Bay Company zum Zuge. Dessen Management schaffte es innerhalb kurzer Zeit, das Unternehmen in die Krise zu rangieren. Als »Retter in der Not« sprang Benko ein, der zunächst nur Anteile an Galeria Kaufhof übernahm und 2019 dann die gesamte Kette. Es folgten die Zusammenlegung mit Karstadt, die Auslagerung der Galeria-Immobilien in eigene Gesellschaften bzw. Verkäufe an Dritte. Hohe Mieten und die Lockdowns während der Coronapandemie brachten der in Galeria Karstadt-Kaufhof (GKK) umbenannten Kette die nächsten Insolvenzen. Anfang Januar stellte die Warenhaustochter den dritten Insolvenzantrag innerhalb von dreieinhalb Jahren und reihte sich damit in die Insolvenzwelle des gesamten Signa-Konzerns ein.

Während in Österreich und in der Bundesrepublik Insolvenzverwalter und Juristen forschen, welche Aktiva dem verschachtelten Unternehmen verblieben sind, wie hoch der Schuldenberg sich türmt und welche Gläubiger Ansprüche auf Teile des geliehenen Geldes haben, stellt Benko wieder seine Dreistigkeit unter Beweis: Über zwei seiner »Familienstiftungen« soll er Geldforderungen an die Signa Holding gestellt haben. Die Süddeutsche Zeitung und das österreichische Magazin Profil fanden heraus, dass er über die »Familie-Benko-Privatstiftung« 75 Millionen Euro aus der Insolvenzmasse der Signa und weitere 57 Millionen Euro für die Laura-Privatstiftung gefordert habe, wobei Laura der Name seiner Tochter ist.

Schon vor den ersten Signa-Insolvenzen soll Benko von der Signa Holding im vergangenen Jahr Darlehen in Höhe von mehr als 300 Millionen Euro erhalten haben, berichtete im Januar die Financial Times. Das Geld floss an Tochtergesellschaften der Stiftung mit dem Namen seiner Tocher: 125 Millionen Euro an die Laura Finance Holding GmbH und 190 Millionen Euro an die Laura Holding GmbH. Von diesen Zahlungen erfuhren die Gläubiger erst Ende Dezember 2023. Warum die Darlehen ausgezahlt wurden, war laut Financial Times unbekannt. Der zuständige Insolvenzverwalter gehe davon aus, dass die 315 Millionen Euro verloren seien.

Weitere Signa-Tochtergesellschaften hätten 2023 viele Millionen Euro an Darlehen erhalten, hieß es am 25. Januar auf merkur.de. Das sei gängige Unternehmenspraxis gewesen. »Die Höhe der Darlehen wuchs jedoch im vergangenen Jahr, als die Signa-Gruppe immer mehr unter Druck stand.« Auffällig, dass allein Benko das angeblich rund 1.000 Firmen umfassende Signa-Geflecht durchschaut haben soll, obwohl er gar nicht mehr Chef der Holding war, nachdem er 2013 wegen Betrugs zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden war. »Die Linie zwischen Benkos privaten Interessen und den Interessen des Unternehmens schien dabei immer mehr zu verschwimmen«, heißt es auf merkur.de. So habe sein Privatjet offiziell der Signa Holding gehört, wurde aber wohl vorwiegend von ihm selbst genutzt.

Während der Signa-Gründer offenbar schon lange Vorkehrungen getroffen hat, um auch künftig ein Leben im Luxus führen zu können, fehlt noch ein Gesamtüberblick über die Insolvenzmasse seines Konzerns. Dafür melden ehemalige Berater und leitende Angestellte stattliche Ansprüche an. So fordert der enge Benko-Vertraute und ehemalige österreichische Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) mehr als 6,3 Millionen Euro an Honoraren, hieß es am 31. Januar auf lebensmittelzeitung.net. Der frühere Galeria-Chef Miguel Müllenbach beanspruche knapp 5,5 Millionen Euro, der Unternehmensberater Roland Berger bescheidene 60.000 Euro und Michael Cramer, Benkos Sprecher in der Bundesrepublik, 2,7 Millionen Euro an Honoraren und Schadenersatz. Auch Galeria verlangt 209 Millionen Euro, die Signa als Sanierungsbeitrag zugesagt hatte. Christof Stapf, Insolvenzverwalter der Holding, soll diese Forderungen bisher nicht anerkannt haben. Es fehlten noch Belege für ihre Stichhaltigkeit.

Die Gläubiger der Signa-Hauptgesellschaft Prime und Development sollen am 18. März über einen Sanierungsplan befinden. Als Sanierungsquote seien 30 Prozent innerhalb von zwei Jahren angeboten worden, berichtete merkur.de mit Verweis auf die Gläubigerschutzverbände KSV1870 und Alpenländischer Kreditorenverband. Den Löwenanteil ihrer Forderungen dürften die Gläubiger, zu denen Banken, Versicherungen und der Wirtschaftsstabilisierungsfonds der Bundesregierung gehören, damit abschreiben müssen.

Hintergrund: GKK-Monopoly

Einmal mehr soll die Warenhauskette Galeria Karstadt-Kaufhof (GKK) meistbietend verkauft werden bzw. das, was von ihr übrig ist. Es handelt sich um das dritte Insolvenzverfahren innerhalb von dreieinhalb Jahren. Angeblich gibt es eine große »Anzahl von Angeboten«, berichtete dpa Mitte Februar mit Verweis auf den vorläufigen Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus. Es lägen Offerten mehrerer internationaler Bieter vor. «Mit denen gehen wir jetzt in die zweite Phase und in Gespräche über mögliche bindende Angebote.» Er sei sehr zufrieden mit dem bisherigen Bieterprozess, so Denkhaus. Den Kaufinteressenten räumte er etwas mehr Zeit für ihre Angebote ein als zunächst geplant. Die verbindlichen Offerten müssen nun bis zum 22. März vorliegen. Der vorläufige Insolvenzverwalter will sich nach eigener Aussage auf Gespräche mit Interessenten konzentrieren, die die noch verbliebenen 92 GKK-Häuser mit derzeit etwa 15.000 Beschäftigten komplett übernehmen. Wer für einzelne Häuser oder kleinere Teile der Warenhauskette biete, müsse sich hinten anstellen. Denkhaus beabsichtigt, den Verkauf im April abzuschließen. Nach Informationen der Wirtschaftswoche soll die US-Beteiligungsgesellschaft »Apollo« zu den Kaufinteressenten gehören. Der Signa-Konzern hatte als GKK-Eigentümer bereits 2020 einige Warenhäuser an diesen Finanzinvestor verkauft. Von Apollo hieß es, man plane keine Ausdehnung dieses Investments.

Der vorläufige Insolvenzverwalter verhandelt derzeit auch mit den Vermietern der Warenhäuser mit dem Ziel, neue Verträge mit marktüblichen Mieten von sieben bis zwölf Prozent des Umsatzes abzuschließen. GKK zahlt an etlichen Standorten erheblich höhere Mieten, die das Handelsgeschäft unrentabel werden ließen. Auch dem florierenden Luxuskaufhaus KaDeWe ist der vom Signa-Konzern als Immobilienmiteigentümerin erhobene Mietzins zwischenzeitlich zum Verhängnis geworden. Mit den Nobelwarenhäusern in Hamburg und München musste auch die KaDeWe-Gruppe Insolvenz anmelden. (gg)

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