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Aus: Ausgabe vom 28.02.2024, Seite 5 / Inland
Marode Infrastruktur

Kleine Löcher, schwerwiegende Folgen

Niedersachsen: Marodes Rohr unter A 27 sorgt für Vollsperrung und Blockade des Gütertransports
Von Burkhard Ilschner
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Über die A 27 kommt vorerst kein Elektroauto, weder zu liefernde noch zugelassene

Seit Dienstag wird an der A 27 provisorisch repariert. Am Mittwoch vergangener Woche verhängte die Autobahn GmbH des Bundes die vorläufige Vollsperrung eines knapp acht Kilometer langen Teilstücks der Autobahn zwischen Walsrode und Cuxhaven. Zwischen den Anschlussstellen »Hagen im Bremischen« und »Uthlede« im südlichen Landkreis Cuxhaven ist die Trasse in beiden Fahrtrichtungen blockiert, der Verkehr wird über benachbarte Dörfer umgeleitet. Für den chinesischen BYD-Autokonzern besorgt die Sperrung einen schlechten Start: Erstmals legte am Montag am Autoterminal Bremerhaven das hauseigene Transportschiff »Explorer No. 1« mit rund 3.000 Fahrzeugen an. Beim Abtransport der chinesischen Konkurrenzprodukte aus Bremerhaven kämen »vorzugsweise Lkw zum Einsatz«, wie Hafenbetreibervorstand Frank Dreeke dem Handelsblatt (Dienstag) erklärte.

Sie sei schon seit Jahren genervt, dass »der Bund kritische Infrastruktur kaputtgespart hat«, sagte Bremens Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Die Linke) dem Lokalfernsehen. Die A 27 ist im »Nassen Dreieck« – dem Marschland zwischen Unterweser, Nordsee und Unterelbe – die zentrale Route von und zu den Seehäfen in Bremerhaven mit dem Container- und Fahrzeugumschlag sowie Cuxhaven mit seinem Offshore-Hafen, dessen Bedeutung im Zuge der sogenannten Energiewende sehr stark zugenommen hat. Sie verbindet über mehrere Fähren und den Wesertunnel bei Dedesdorf Teile Nordwestniedersachsens mit dem Rest der Republik. Nicht zu vergessen: In der Region ist die A 27 auch eine wichtige Trasse für tägliche Pendlerverkehre zwischen Bremerhaven und Bremen sowie die Vernetzung vieler Dörfer mit den Städten. Schätzungen zufolge sind durchschnittlich 27.000 Fahrzeuge pro Tag von der Sperrung betroffen.

Stichwort »kaputtgespart«: Ursache scheinen nach bisherigen Erkenntnissen in der Tat die ungenügende regelmäßige Kontrolle und Pflege des Autobahnunterbaus zu sein: Auslöser ist ein Rohr mit nicht einmal einem Meter Durchmesser, das südlich des Anschlusses Hagen die A 27 unterquert und Wasser eines Moorgrabens unter der Autobahntrasse hindurch zur Weser ableitet. Eine Inspektion wegen Absackungen im Böschungsbereich offenbarte jetzt Löcher im maroden Stahlrohr, durch die Sand aus dem Autobahnunterbau in den Graben rieselt. Um Brüche in der so eventuell unterhöhlten Fahrbahn zu vermeiden, musste die sofortige Sperrung angeordnet werden.

Die nun angelaufenen Reperaturen bedeuten zunächst wochenlange Vollsperrung. Bei späterem, Monate währenden Neubau müsste dann aber nur jeweils eine Richtungsfahrbahn gesperrt werden. Parallel werden sechs baugleiche Durchlässe in der Umgebung überprüft – weitere Behinderungen nicht ausgeschlossen. Immerhin wurde kurzfristig der für Montag geplante Abriss zweier maroder Autobahnbrücken südlich von Bremerhaven vorerst vertagt. Um aber das regionale Chaos zu komplettieren, musste gleichentags die Fährverbindung Bremerhaven–Nordenham wegen Sanierung der Anleger stillgelegt werden. Zeitgleich wurde links der Weser die Bahnlinie Nordenham–Bremen gesperrt, weil eine Schiffshavarie die Hunte-Brücke »für längere Zeit« außer Betrieb gesetzt hat. Es gibt zwar Ersatzverkehre per Bus, die aber das nach der A-27-Sperrung verbleibende Straßennetz zusätzlich belasten dürften.

In den Seehäfen stauen sich Container-, Fahrzeug- und Stückguttransporte, die Flächen für Zwischenlagerung dürften alsbald überfüllt sein. Auf Umleitungen kommt es durch Überlastung, Witterung und Stress häufiger als sonst zu wiederum temporär blockierenden Unfällen. Für überdimensionierte Schwertransporte, etwa von Rotorblättern für Windkraftanlagen, müssen zeitraubend neue Genehmigungen beantragt werden, weil in jedem Fall die Eignung möglicher Trassen stückweise geprüft werden muss. Häfen und Schiffahrt befürchten erhebliche Umschlagsverluste, weil Reeder und Spediteure bereits Schiffe zu Häfen mit besserer Anbindung umzudirigieren versuchen. Es sei schlecht, »dass der Bund die Seehäfen als Ländersache betrachte«, mahnte Vogt von Berlin eine überfällige nationale Hafenstrategie an – und ist damit nicht allein.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (27. Februar 2024 um 21:31 Uhr)
    Im Fall Cosco und HHLA handelte es sich offenbar nicht um Ländersache. Der Wirtschaftsminister kann schon Prioritäten setzen!

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