junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Mittwoch, 8. Mai 2024, Nr. 107
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Aus: Ausgabe vom 27.02.2024, Seite 4 / Inland
Aufgebot gegen AfD

Gutachten in der Schublade

Bericht: Geheimdienst bereitet neue Einstufung der AfD vor, wartet Urteil des OVG Münster ab. Evangelische Kirche erklärt Partei für unwählbar
Von Kristian Stemmler
4.jpg
Wahlkampfkundgebung der AfD auf dem Platz vor der Sebalduskirche in Nürnberg (22.9.2023)

Für den Inlandsgeheimdienst ist die AfD ein »Verdachtsfall des Rechtsextremismus«. Diese Einstufung soll schon bald verschärft werden. Ein Team des Bundesamtes für Verfassungsschutz arbeitet offenbar seit Monaten an einem neuen »Gutachten«, mit dem eine Einstufung der Partei als »gesichert extremistische Bestrebung« vorbereitet wird, wie die Süddeutsche Zeitung (SZ) vom Montag berichtete. Das Blatt beruft sich dabei auf interne E-Mails und Vermerke der Behörde. Die neue Einstufung sei schon seit längerer Zeit geplant. Der Geheimdienst wollte allerdings demnach eine für März angesetzte Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster abwarten. Die AfD klagt dort gegen ihre Beobachtung. Wie es in den internen E-Mails laut SZ heißt, sollen die zu erwartenden »Erwägungen« des Gerichts im neuen AfD-Gutachten noch »möglichst berücksichtigt werden«.

Das aktuelle »Gutachten« zur AfD aus dem Haus von Thomas Haldenwang stammt vom Frühjahr 2021. Seit spätestens März 2023 ist laut SZ in internen E-Mails des Bundesamtes von einem »AfD-Folgegutachten 2023«, an dem gearbeitet werde, die Rede. Im April kursierte dann in der Behörde bereits ein erster Entwurf einer Gliederung. Darin seien bekannte Punkte enthalten; das Blatt nennt »Kritik« der Behörde am Rassismus in der AfD. Unter der Überschrift »Entwicklung der Partei seit März 2022« gebe es den neuen Punkt »Verhältnis zu Russland«.

Aufschlussreich ist auch die Antwort auf die Anfrage einiger Mitarbeiter des Bundesamtes, was der AfD denn nachgewiesen werden müsse, um von einer »Verdichtung« der bisherigen Verdachtsmomente für »Rechtsextremismus« auszugehen. Die Vorgesetzten sollen dazu erklärt haben, dass es bereits ausreiche, wenn in der Partei alles so bleibe, wie es ist. Die bloße »Fortsetzung der verfassungsfeindlichen Bestrebung« komme einer »Verdichtung« der Hinweise gleich.

Derweil hat sich die kommissarische Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, der Warnung der katholischen Bischöfe vor einer Wahl der AfD angeschlossen. »In diesen Zeiten, in denen Rechtsextremisten die Grundwerte unseres Zusammenlebens infrage stellen, ist eine klare und gemeinsame Haltung der Kirchen wichtig«, erklärte Fehrs laut Mitteilung der EKD. Völkisch-nationale Gesinnungen und menschenverachtende Haltungen und Äußerungen seien »mit den Grundsätzen des christlichen Glaubens in keiner Weise vereinbar«.

Zuvor hatten am vergangenen Donnerstag die Bischöfe zum Abschluss ihrer Frühjahrsvollversammlung in Augsburg einstimmig eine Erklärung mit dem Titel »Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar« verabschiedet. Darin grenzen sie sich deutlich von der AfD ab und bezeichnen diese als für Christen nicht wählbar. »Rechtsextreme Parteien und solche, die am Rande dieser Ideologie wuchern«, könnten für Christinnen und Christen kein Ort politischer Betätigung sein, heißt es weiter. Der Politologe Andreas Püttmann, laut Kölner Stadt-Anzeiger ein Kenner der rechtskatholischen Szene, bewertete die Erklärung der Bischöfe gegenüber dem Blatt (Montagausgabe) als »Coup«, der die AfD kalt erwischt habe. Nachdem die seit mehreren Wochen bundesweit stattfindenden Großdemonstrationen gegen die AfD den Anspruch der Partei »Wir vertreten das Volk« hinweggefegt hätten, reiße ihr laut Püttmann »nun auch noch ›die‹ konservative Institution schlechthin das Etikett ›konservativ‹ herunter«.

Mit Blick auf die bevorstehende Landtagswahl im September glaube Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) unterdessen »fest daran«, aus dem AfD-Lager Stimmen für die Sozialdemokraten zurückgewinnen zu können – obwohl die AfD in Umfragen deutlich vorn liegt. Ihm gehe es um »zumindest jene, die in den letzten Jahren von den demokratischen Parteien zur AfD gegangen sind«, sagte Woidke der Rheinischen Post vom Montag. Er sei jemand, »der auf Umfragen aus persönlicher Erfahrung nicht allzu viel gibt«. Bei der Wahl vor fünf Jahren habe die SPD bis kurz vor Schluss hinten gelegen, »gewonnen haben wir dennoch«.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. Alle Standorte finden Sie unter diesem Link.

Ähnliche:

  • Klare Ansage beim Protest gegen den sogenannten Marsch für das L...
    21.10.2022

    Kein Schritt zurück

    Kongress von »Lebensschützern«: Umfeld aus AfD, CDU und Kirche trifft sich in Schwaben. Aufruf zu Gegendemonstration