»Die Ukraine kämpft für uns«: Stelldichein von NATO-Falken und Bandera-Lobby im »Cafe Kyiv«
Von Susann Witt-StahlDie diesjährige Maidan-Festspielwoche wurde vergangenen Montag von der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) mit einem Traum in den Nationalfarben der Ukraine eröffnet. Selbst die »Herzen schlagen« im »blau-gelben Takt«, wie es im Titel eines Werbetrailers für ihr »Cafe Kyiv« heißt. Um der »bewaffneten Wahrheit« – so der Name eines beteiligten Medienprojekts aus der Ukraine – zum Recht des Stärkeren zu verhelfen, sind sogar verunglückte Metaphern willkommen.
Anlässlich des zehnten Jahrestags der »Revolution der Würde« hatte die KAS nach 2023 zum zweiten Mal ins »Cafe Kyiv« geladen. 2024 fand die Veranstaltung unter dem Motto »Wir wählen die Freiheit«, bei der rund 260 Redner aus Politik, Wissenschaft und Kultur auftraten und die von mehr als 100 Institutionen unterstützt wurde – darunter das Auswärtige Amt, die US-Botschaft und das Zentrum Liberale Moderne (LibMod) –, im Berliner Kino Colosseum statt.
Um der »Leisetreterei« gegenüber Moskau, wie sie deutschen Regierungen im »Cafe Kyiv«-Magazin von LibMod vorgeworfen wird, und dem »Wunschdenken einer ›diplomatischen Lösung‹« ein für alle Male ein Ende zu bereiten, setzten die Veranstalter mit Schützenhilfe der Internettrollarmee North Atlantic Fella Organization (NAFO) auf Full-Scale-Kriegspropaganda. Und so konnten die rund 5.000 »Cafe Kyiv«-Besucher neben Musikdarbietungen, Filmvorführungen und einem Pop-Up-Markt, auf dem allerlei Folklorekitsch erworben werden konnte, auch postmoderne Blut-und-Boden-Kreationen von um Exzentrik bemühten Modedesignern genießen. In Ausstellungen waren unter anderem Porträts ukrainischer Militärhelden zu sehen – beispielsweise von dem Kommandeur der »Asow«-Brigade in der Nationalgarde, Denis Prokopenko, der aus der White-Supremacy-Fußballhooligan-Szene von Dynamo Kiew kommt.
Letztlich diente die Ästhetisierung von Krieg und Nationalismus via Kultur und Konsum aber vor allem dazu, die ungenießbaren Anliegen des »Cafe Kyiv« schmackhaft zu machen: die Durchsetzung eines schnellen NATO-Beitritts der Ukraine, der Lieferung von »TAURUS«-Marschflugkörpern und anderem schweren Mordgerät sowie einer »Strategie« der »Rückeroberung und Reintegration« der Krim – praktisch allem, was geeignet sein könnte, den Krieg zum Weltenbrand zu eskalieren. Und so war die Stahlhelmfraktion der deutschen Transatlantiker zu den Gesprächspodien in All-Star-Besetzung angetreten: Roderich Kiesewetter (CDU), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Paul Ronzheimer, die Kriegsreporterkarikatur von Bild, der Militärexperte Carlo Masala, Nico Lange von der »Zeitenwende-Initiative« der Münchner »Sicherheitskonferenz« – er plädiert sogar für ein Eingreifen der deutschen Luftverteidigung in den Ukraine-Krieg – und last, but not least Ursula von der Leyen mit einer beruhigenden Nachricht für alle, die lieber »weit ab vom Schuss« bleiben wollen: »Die Ukraine kämpft für uns.«
Ideologischen Beistand leisteten Lobbyisten des ukrainischen Faschismus: Etwa Sergej Sumlenny, ehemaliger Leiter des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Kiew, der den Hitler-Kollaborateur Stepan Bandera für einen »Meister der Freiheit« und ein Nazi-KZ-Opfer hält. Mit Sergij Kusan, Direktor des Ukrainian Security and Cooperation Centers – er warnte im Rahmen eines Panels zu den »Prioritäten 2024« bei der »Verteidigung Europas« vor der »globalen Bedrohung durch russische Hybridintervention« –, war sogar der Bandera-Flügel der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN-B) vertreten. Wie Recherchen des unabhängigen Forschers Moss Robeson belegen, war Kusan Führer der Jugendorganisation der OUN-B und Koordinator von deren Netzwerk »Freies Volk«, das 2019 die »Kapitulationswiderstandsbewegung« gegen das Minsker Abkommen ins Leben gerufen hatte. Heute ist Kusan Unterstützer der nazistischen »Kraken«-Einheit des ukrainischen Militärgeheimdienstes.
Der Rückenwind von rechts außen beflügelte die Eroberungsgelüste des ukrainischen Botschafters: Das »Cafe Kyiv« müsse in Berlin einen »stabilen Ort bekommen, wo heute noch das Café Moskau ist«, blies Olexij Makejew in seiner Rede schon einmal symbolisch zur nächsten Gegenoffensive – keine fünf Kilometer von dem Ort entfernt, wo 1945 der letzte große Traum vom Sieg über Russland unter Trümmern begraben wurde.
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vom 26.02.2024
»Die Ukraine kämpft für uns« erklären unsere Volksvertreter. Es sind weder Volksvertreter und schon gar nicht Vertreter unseres oder anderer Völker. Sie vertreten weder deutsches, ukrainisches, russisches, israelisches, palästinensisches oder alle Völker, denen sie erklären befreit zu werden mit Bomben, Krieg und Soldaten. Welche Volkssvertreter sind noch immer auf den Schlachtfeldern verreckt, hingeschlachtet worden? Es sind nie die gewesen, die große Worte im Munde führten, von Freiheit, Heimat, Menschenrecht den Völkern predigten, den Krieg als ehrenhaften solidarischen blutigen Kampf erklärten. Deutsches wie viele andere Völker haben die Erfahrung mit der Lüge gemacht, haben sich Wahrheit vergessen machen lassen. Es ist höchste Zeit sich die Klassenfrage in Erinnerung zu rufen. Kein Ukrainer ist des Russen Feind wie umgekehrt. Kein Israeli ist Feind der Palästinenser, Araber oder Moslems usw. Nirgendwo sind sich die von Natur Feind, die sich für fremde Interessen, Macht, Eroberungsgelüste der Herren und Damen der Welt zum gegenseitigen Abschlachten treiben lassen. Nirgendwo sind sich arbeitende Menschen feind, die mit ihrer Hände Arbeit für ihren Lebensunterhalt zu sorgen haben.
Völker haben in allen Kriegen den Beweis erbracht, dass Menschen aller Sprachen, Hautfarben, Herkunft, Nationalität, Geschichte nie Todfeinde waren, immer von Herrschenden dazu gemacht wurden. Wenn wir nicht wieder die Klassenfrage stellen, nicht danach fragen, in wessen Interesse Kriege immer sind, wozu sie da sind, wer daran verdient und wie Kapitalismus damit seine Krisen löst, dann werden wir uns weiter da finden, wo wir heute wieder stehen, uns anschauen, nichts verstanden haben vom Kapitalismus, was er notwendig hervorbringt, wie er Völker benutzt, verwirrt und emotionalisiert, moralisierend vor seinen Karren spannt. Orientierungslos, ratlos, frustriert, enttäuscht, wütend und dabei ahnungslos finden sich Volksmassen in dieser Zeit zu den verschiedensten Demos und Protesten zusammen. Die meisten eint ein Gedanke: Wir protestieren gegen die Regierung. Wofür und gegen wen sie demonstrieren, wird mancher nicht wissen, ahnungslos zu wem er sich gesellt. Millionen »Demokraten« protestieren gegen rechts und Faschismus, sahen nie den blühenden staatlich geschützt erstehenden »demokratischen« Faschismus der Regierenden, in Parlamenten, auf den Straßen. Sie sehen den Faschismus in der Ukraine nicht, das Faschistische neben sich nicht, haben nie von Bandera, »Asow« und Co. in der Ukraine, nichts von Faschisten in Lettland oder anderswo gehört.
Sie lassen sich zu Protesten gegen Antisemitismus bewegen, ohne zu wissen, was er ist, wozu er benutzt wird. Sie kennen die Geschichte der Unterdrückung vieler Völker nicht. Sie wissen nichts von allen Eroberungszügen und -kriegen gen Osten. Sie demonstrieren, aber warum nicht erst mal gegen Krieg und für Frieden, den sie alle zuerst brauchen? Im Erzgebirge ertönt das Berggeschrei sogenannten Mittelstandes: Handwerk, Gewerbetreibende, Gastronomie, die um ihre Existenz bangen. Bauernschaft erhebt sich gegen die Ausbeutung durch Konzerne und EU-Politik. AfD und Co. finden leicht Anschluss an die Unzufriedenen während tags darauf »Demokraten« gegen recht protestieren, vom Lob Regierender begleitet. Wenn dann auch noch grüne Kriegspazifisten, Hasser, Hetzer für mehr Krieg und Waffen gegen Russland, für den großen Krieg demonstrieren, steht alle Geschichte auf dem Kopfe. Wenn Gewerkschafter in Rüstungsschmieden für den Tod demonstrieren, den sie auf die Schlachtfelder bringen, fehlen einfach die Worte. Können wir noch hoffen? Wendet sich Stimmung und Meinung des Volkes langsam mehr und mehr dem Frieden und wichtigstem Interesse der Völker zu?
Es waren die Deutschen, die nach dem schlimmsten aller Kriege, klarsichtig die Losung »Nie wieder Krieg« prägten.
Es gibt nicht den geringsten Grund von dieser Erkenntnis abzuweichen.
Es gibt allerdings auch in dieser Gesellschaftsordnung Menschen, die ohne wenn und aber für den Frieden eintreten. Zu ihnen gehört John F. Kennedy.
Das folgende Zitat aus Kennedys Reede am 10. Juni 1963 vor der American University in Washington habe ich dem Buch »JFK – Staatsstreich in Amerika« (S. 103) von Mathias Bröckers entnommen.
Kennedy sagte: »Ich habe diesen Zeitpunkt und diesen Ort gewählt, um ein Thema zu erörtern, über das zu oft Unwissenheit herrscht und bei dem die Wahrheit zu selten gesehen wird – und doch ist es eines der wichtigsten Themen auf Erden: der Weltfrieden. Welche Art von Frieden meine ich? Nach welcher Art von Frieden streben wir? Nicht nach einer Pax Americana, die der Welt durch amerikanische Kriegswaffen aufgezwungen wird. Nicht nach dem Frieden des Grabes oder der Sicherheit des Sklaven. Ich spreche hier von dem echten Frieden – jenem Frieden, der das Leben auf Erden lebenswert macht, jenem Frieden, der Menschen und Nationen befähigt, zu wachsen und zu hoffen und ein besseres Leben für ihre Kinder aufzubauen, nicht nur ein Friede für Amerikaner, sondern ein Friede für alle Menschen. Nicht nur ein Frieden in unserer Generation, sondern ein Frieden für alle Zeiten.«
Auf Seite 77 war der Bröckers zu folgender Schlussfolgerung gekommen: »Und wie man die drei zitierten NSAM (National Security Action Memoranda) als Sargnägel für die Präsidentschaft und das Leben John F. Kennedys, bezeichnen könnte, kann diese Ansprache, die als ›Friedensrede‹ in die Geschichte eingegangen ist, als sein Todesurteil gelten.«
Für den Frieden einzutreten, kann im Kapitalismus offensichtlich tödlich sein.
Ich würde die Kriegsstifter im Bundestag dazu verpflichten, Kennedys Reede laut im Bundestag vorzulesen, bis sie den Sinn der Reede begriffen haben und ihre Politik für den Frieden der Deutschen ändern.