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Aus: Ausgabe vom 24.02.2024, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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»Undialektisch«

Zu jW vom 19.2.: »›Reproduktion erzeugt neue Lohnsklaven‹«

Was für ein unhistorisches, undialektisches, idealistisches Geschwätz von der »Philosophin« Verena Brunschweiger! Mit wem soll das neue System denn schwanger gehen, wenn das alte aufhört, Nachwuchs zu produzieren? Man kann sich nicht einfach »gegen Kinder entscheiden«. Zum Glück, sonst kommt vielleicht noch jemand auf die Idee, sich »gegen Erwachsene« zu entscheiden.

Die junge Generation hat doch hoffentlich soviel revolutionären Willen und Fähigkeit, dieses kapitalistische Ausbeutungssystem zu beseitigen! Und im Sozialismus wird die Frau sogar ganz befreit werden. Die bürgerlichen Geisteswissenschaften sind wirklich auf einem erbärmlich tiefen Niveau angelangt! Schon darum wird es Zeit, den Kapitalismus durch den Sozialismus zu ersetzen!

Paul Jud, Stühlingen

Real existierender Kapitalismus

Zu jW vom 19.2.: »›Reproduktion erzeugt neue Lohnsklaven‹«

(…) Auch ich teile die Ansicht von Frau Brunschweiger und möchte meinen nie geborenen Kindern kein Leben in dieser Welt zumuten. Übrigens könnte man in der Gesamtschau auch zu dem Schluss kommen, dass genau deshalb in hochentwickelten Gesellschaften sich der Lebensbaum nach unten verjüngt und diese überaltern, denn tendenziell sind Familie und Arbeit nicht miteinander vereinbar, je weiter fortgeschritten die Zumutungen des Kapitalismus sind. (…)

Ich wurde beispielsweise in die DDR geboren, wo man eben keinen Geburtenstreik brauchte, weil man ja (noch) nicht im Kapitalismus lebte. Mittlerweile nervt aber dieser real existierende – und besonders die ihn perpetuierenden Apologeten – enorm.

Fast möcht’ ich sagen: »Zum Glück bin ich ein alter Mann, das geht mich alles nichts mehr an« (Knorkator: »Alter Mann«). Leider muss ich aber wohl noch ein paar Jahrzehnte ausharren, bis ich endlich das Zeitliche segnen kann. Aber wenigstens endet mein Ast des Stammbaums ohne weitere Zweige. In your face, Capitalism!

Marcus Blumhagen, per E-Mail

»Unfassbar«

Zu jW vom 19.2.: »Unerwünschte Antifaschistin«

Lea Grundig war Antifaschistin, Kommunistin und Jüdin. Nur durch Flucht vor den Nazis, nur durch Emigration konnte sie ihr Leben retten. Nach dem Kriegsende entschied sie sich zur Rückkehr in die sowjetische Besatzungszone, die spätere DDR.

Die schlimmsten Nazis waren verurteilt, geflohen oder untergetaucht. Und die Kräfte, die ihnen zur Macht verholfen haben, die gleichen wirtschaftlichen und politischen Eliten, die Deutschland in die Katastrophen des Ersten und des Zweiten Weltkrieges geführt haben, waren in der sowjetischen Besatzungszone entmachtet. Viele Menschen hofften auf ein neues, friedliches Deutschland. Viele Emigranten kehrten deshalb in diesen Teil Deutschlands zurück. So auch Lea Grundig.

Dass sie diesen Staat unterstützt hat, dass deshalb eine neue Straße nicht ihren Namen tragen soll, dass nicht an einen mutigen Menschen erinnert werden soll, der sich unter Einsatz seines Lebens den Nazis entgegengestellt hat, ist angesichts der neuen Nazis unfassbar.

Christian Helms, Dresden

»Rosa Quark gerührt«

Zu jW vom 17./18.2.: »Nicht für die Katz«

Arnold Schölzels zurückhaltende Bewertung des SED-SPD-Dialogs erstaunt! Denn ihm als philosophischem Zeitzeugen muss niemand erklären, dass die Gespräche seitens der SPD Teil der Strategie »Wandel durch Annäherung« waren, wobei sich im Westen nichts wandeln sollte, und es auch nicht tat. Gremliza, Schernikau und Hacks waren sich darin einig, dass in diesen Gesprächen so lange rosa Quark gerührt wurde, bis der Sozialismus in der DDR perdu war.

Dass er dies war, lag aber nicht an Eppler und Bahr, sondern daran, dass der Imperialismus die Sowjetunion zum Zeitpunkt des Beginns der Gespräche bereits totgerüstet hatte und diese keinerlei ökonomischen Spielraum mehr besaß, was wiederum Gorbatschow zu jenem Akteur werden ließ, der er wurde.

In Wahrheit begann die SED die Gespräche aus einer Position ideologischer und ökonomischer Schwäche, was die Sozialdemokratie in die Lage versetzte, ihre Gesprächspartner aus der DDR politisch über den Tisch zu ziehen.

Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen: Die in Rede stehende Schwäche gründet nicht, wie die Stalinisten sagen, im sogenannten Chruschtschow-Revisionismus, sondern in der Unfähigkeit des sozialistischen Lagers, eine Antwort auf den Strategiewechsel des Imperialismus gegenüber der SU nach 1945 zu finden. Um all das wird Schölzel wissen. Wieso schreibt er es dann nicht?

Manfred Gehrling, Leipzig/Eilenburg

»Eine eher seltene Erscheinung«

Zu jW vom 17./18.2.: »Experimentelle ­Philosophie«

(…) Der in derselben Nummer der jungen Welt in einem anderen Zusammenhang erwähnte Leipziger Philosoph Helmut Seidel war Studienfreund von Ewald Iljenkow. Er hat diesen bei einem philosophischen Seminar mit vier »Zöglingen« von Sagorsk begleitet und später davon berichtet, wie man sich verständigte und welche Hilfsmittel dazu genutzt wurden.

Waldemar Seidel, der jüngere Bruder von Helmut Seidel, hat Iljenkow in Moskau besucht und traf ihn an bei der Reparatur eines Fernsehgerätes. Ein Philosoph, der in der Lage war, ein Fernsehgerät zu reparieren, ist eine eher seltene Erscheinung. Es ist dies auch eine Art von praktischer Philosophie. Ewald Iljenkow hatte viele Anhänger unter den Philosophen der DDR, aber auch Gegner. Die Gräben des Streits zeigten sich nicht nur in der Sowjetunion, sondern auch in der DDR. Aber das sowjetische System ist nicht an einem Zuviel an materialistischer Dialektik gescheitert, sondern an zuwenig materialistischer Dialektik. Der Autor Martin Küpper verweist zu Recht auch auf die Bedeutung der Philosophie von Spinoza für das Schaffen von Iljenkow. Hier gibt es eine deutliche Übereinstimmung mit dem philosophischen Ansatz von Helmut Seidel, der explizit auf den Zusammenhang von Spinoza und Marx aufmerksam gemacht hat. (…)

Bernd Vogel, per E-Mail

Waldemar Seidel, der jüngere Bruder von Helmut Seidel, hat Ewald Iljenkow in Moskau besucht und traf ihn an bei der Reparatur eines Fernsehgerätes.

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