»In Behörden wird oft nur deutsch gesprochen«
Interview: Gitta DüperthalPrekäre Arbeitsverhältnisse sowie fehlende Kinderbetreuung, Schulplätze und Deutschkurse: Bei einer Veranstaltung des Berliner Familienbeirats gemeinsam mit dem Projekt »Karower African Mommies« berichteten afrikanische alleinerziehende Frauen von den Problemen in ihrem Alltag. Wie ist die Situation?
Frauen aus Afrika mit Kindern haben die gleichen Schwierigkeiten wie andere Mütter ohne Migrationshintergrund, zudem aber gibt es zusätzliche Hindernisse. So hatte eine Frau aus Ghana mit zwei Kindern am Goethe-Institut im Herkunftsland Deutsch gelernt, demzufolge keine Verständigungsprobleme wie viele andere. Obgleich es in Karow im Vergleich mit anderen Berliner Ortsteilen kaum Probleme mit fehlender Kinderbetreuung gibt, konnte sie ihre Kinder aber nur für zwei Stunden pro Tag in der Kita unterbringen. Es entsteht der Eindruck, dass es sich um Rassismus handeln könnte, weil die Kinder schwarz sind. Die Mutter wollte eine Ausbildung in der Pflege machen: Wie aber soll das funktionieren? Andere leiden darunter, dass es in Karow keine Sprachkurse mit Kinderbetreuung gibt. Für die Inklusion fehlt Fachpersonal; etwa wenn Kinder autistisch sind oder durch Kriegs- und Fluchterfahrungen traumatisiert. Eine Frau berichtete, dass sie etwa 1.000 Euro verdient, aber 900 Euro Miete zahlen muss: Wovon soll sie mit ihren Kindern leben?
Erstreckt sich die Diskriminierung auch auf andere Bereiche?
Auf dem Spielplatz werden schwarze Kinder oft ausgegrenzt. Afrikanische Mütter trauten sich kaum mehr dorthin. Anders als syrische oder afghanische Geflüchtete, die oft gemeinsam nach Deutschland gekommen sind und sich schon kennen, sind sie zudem eher vereinzelt. Durch die Initiative »Karower Mommies« gehen sie jetzt gemeinsam auf den Spielplatz. Auf manch andere Dinge muss man erst mal kommen: An der Kasse eines Supermarkts wollten Angestellte kein Geld entgegennehmen, das eine schwarze Person angefasst hatte. Zwar zeigte sich der Filialleiter bemüht, die Situation zu verbessern, konnte aber die Vorurteile der Mitarbeiter noch nicht ausräumen. In Behörden wird oft keine andere Sprache als Deutsch gesprochen. Von alldem ist ihr Alltag bestimmt.
Gilt das für alle alleinerziehenden afrikanischen Frauen in Berlin?
Die Situation ist oft sehr prekär, bundesweit wird es auch nicht anders sein. Einzelschicksale sehen mitunter so aus: Eine Frau wird schwanger, ohne mit dem Vater des Kindes verheiratet zu sein. Sie ist dann zum Beispiel in Deutschland, er aber muss in Frankreich bleiben. Doch selbst wenn er in Deutschland ist: Zentren für Väterarbeit fehlen. Es gibt nur wenige Angebote wie etwa den »Papatreff« in Marzahn-Hellersdorf. Es muss mehr davon geben. Kinderbetreuung kann nicht nur Sache der Frauen sein.
Hat sich die Lage in den vergangenen Jahren verschärft?
Rassismus gab es schon immer. Neuerlich wird sich aber häufiger getraut, Vorurteile reißerisch und ungehemmt zu äußern, ohne sich etwas dabei zu denken.
Was kann der Familienbeirat für die Frauen tun, und was ist Aufgabe des Berliner Senats?
Unser Beirat ist ein von der Berliner Senatorin für Bildung, Jugend und Familie berufenes, unabhängiges, ehrenamtliches, parteiübergreifendes Gremium. Wir geben Handlungsempfehlungen und beraten. Alle fünf Jahre, jeweils kurz vor der Wahl, geben wir einen Familienbericht für das Land Berlin heraus.
Zugewanderten Frauen mit Kindern muss die Ausbildung in Deutschland besser ermöglicht werden. Ihre Berufsausbildung im Herkunftsland muss anerkannt werden. Die Lage der Kinderbetreuung muss sich verbessern, es muss genug Schulplätze geben. In Behörden müssen verschiedene Sprachen gesprochen werden, oder man arbeitet mit Übersetzungsprogrammen. In anderen europäischen Ländern ist das längst selbstverständlich. Auch ist derart schlechte Bezahlung für die Mütter nicht hinnehmbar.
Gabriele Schmitz ist Leiterin der Geschäftsstelle des Berliner Beirats für Familienfragen
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