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Aus: Ausgabe vom 24.02.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Deutsche Investitionen in China

Eine Art taktischer Rückzug

Um ihre Standorte in China vor möglichen US-Sanktionen zu schützen, setzen BRD-Unternehmen auf den dortigen Inlandsmarkt
Von Jörg Kronauer
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Die First Automotive Works Group Corporation ist einer der führenden Automobilhersteller Chinas (Changchun, 7.7.2023)

Der Handel schrumpft, die Investitionen aber boomen: Diese scheinbar widersprüchliche Entwicklung hat im vergangenen Jahr das deutsche China-Geschäft geprägt. Während Exporte und Importe stark zurückgingen, erreichten die BRD-Investitionen in der Volksrepublik inklusive Hongkong mit 11,9 Milliarden Euro einen neuen Rekordwert. Bereits 2021 und 2022 hatten sie mit 11,3 respektive 11,4 Milliarden Euro höhere Werte erreicht als je zuvor. Damit lag der Gesamtbestand der deutschen Investitionen in China – auch einschließlich Hongkong – Ende vergangenen Jahres bei stolzen 135,6 Milliarden Euro. Damit hatte die Volksrepublik Großbritannien als zweitgrößten Standort deutscher Direktinvestitionen abgelöst. Freilich lag sie noch weit hinter den Vereinigten Staaten zurück, die schon 2022 auf einen Gesamtbestand deutscher Investitionen in Höhe von 431,5 Milliarden Euro kamen.

Dass die Investitionen in China so massiv boomen – sie stiegen im Jahr 2023 laut Berechnungen des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft auf 10,3 Prozent aller deutschen Auslandsinvestitionen –, hat viel mit dem US-geführten Wirtschaftskrieg des Westens gegen die Volksrepublik zu tun. Der führt dazu, dass Unternehmen damit rechnen müssen, früher oder später ihre chinesischen Standorte nicht mehr mit Maschinen und Vorprodukten aus der Bundesrepublik beliefern zu können, weil Sanktionen, Strafzölle oder Ähnliches dies verhindern. Die Lösung, die sich die Regierungen im Westen – auch diejenige in Berlin – eigentlich wünschen, wäre die Verlagerung von Produktionsstandorten aus China weg, etwa nach Südost- und Südasien. Nur: Für deutsche Konzerne, die auf den riesigen chinesischen Markt angewiesen sind, um wie gehabt Profite zu generieren, ist das keine Option.

Sie gehen deshalb dazu über, ihre Standorte in China so weit wie möglich mit Vorprodukten aus der Volksrepublik zu versorgen – und sie vervollständigen ihre eigene Produktion dort so weit, dass sie im Notfall gänzlich ohne die Lieferung von Gütern aus Deutschland und dem Westen auskommen können. »Wir haben wenige Produkte, die wir aus China exportieren und umgekehrt«, teilte etwa eine Sprecherin der chinesischen Bosch-Filiale schon im Herbst 2023 dem Handelsblatt mit. Um das zu erreichen, sind allerdings in vielen Fällen Investitionen in China unumgänglich. Die »Diversifizierung weg von China«, wie die Regierungen im Westen sie anstrebten, finde also nicht statt, konstatiert das Institut der deutschen Wirtschaft in einer aktuellen Analyse. Allerdings werden immer weniger Produkte aus der Bundesrepublik an Standorte deutscher Firmen in der Volksrepublik geliefert – zum Nachteil deutscher Exporteure.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (23. Februar 2024 um 22:29 Uhr)
    Vielleicht muss der Herr Hartung (CEO von Bosch, jW) sich bald beim Weihnachtsmann den Jutesack ausleihen, um Sanktionen zu entgehen. Er könnte damit die sanktionsbedingt womöglich nicht mehr konvertiblen Renminbi-Profite transportieren. OK, vielleicht könnte er, wenn er über Shanghai geht, die Renminbi in Gold umtauschen. Was macht er mit dem vielen Gold in Feuerbach? Rubel kaufen? Ist das venezolanische Gold immer noch in London?

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