4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 23.02.2024, Seite 15 / Feminismus
Griechenland

Das rechte Profil glätten

Griechisches Parlament stimmt für gleichgeschlechtliche Ehe – Kirche dagegen
Von Hansgeorg Hermann
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Dem Gesetz auf die Sprünge helfen: Aktivisten am 15. Februar vor dem Parlament in Athen

Gegen den erbitterten Widerstand der Kirche und eines Teils der Regierung hat eine Mehrheit des griechischen Parlaments am vergangenen Donnerstag den Weg zur amtlichen Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe freigemacht. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis, der das Gesetz selbst eingebracht hatte, versucht damit offensichtlich, das rechte Profil seiner Partei Nea Dimokratia (ND) und seiner Ministerriege zu glätten. Ob erfolgreich oder nicht, wird sich erst in den kommenden Monaten herausstellen. Griechenland ist zwar der erste christlich-orthodox geprägte Staat, in dem die gleichgeschlechtliche Ehe nun gesetzlich verankert sein wird. Die Kirche warnte allerdings ihre Gläubigen – rund 97 Prozent der griechischen Bevölkerung bekennen sich zur orthodoxen Religion – vor dem »Teufelswerk«, das sie darin vermutet. Die Parlamentsmehrheit habe »eine Bombe an die Fundamente der Familie gelegt«.

Insgesamt 175 der 300 Abgeordneten stimmten – quer durch die Fraktionen – für den Gesetzentwurf. Gegen den Text votierten nicht nur geschlossen die drei Fraktionen der nationalistisch-faschistischen Rechten, sondern auch rund ein Drittel der die Regierung gewöhnlich mit absoluter Mehrheit tragenden ND-Deputierten: Mitsotakis erhielt lediglich 107 seiner 158 ND-Stimmen. 21 Abgeordnete votierten dagegen, 31 enthielten sich. Der Staatschef, der für die Verabschiedung der in den eigenen Reihen höchst umstrittenen Neuregelung des griechischen Ehe- und Familienlebens offenbar fest mit der Unterstützung der linken Opposition rechnete, hatte die Abstimmung für die ND-Fraktion freigegeben. Wichtigster Gegner des Regierungschefs in der eigenen Partei war, wie schon oft zuvor, der frühere Ministerpräsident Antonis Samaras. Der inzwischen 73jährige war auf dem Höhepunkt der griechischen Staatskrise von 2012 bis 2015 Staatschef und ND-Vorsitzender. Mit dem Mitsotakis-Clan verbindet ihn, wie griechische Medien auch diesmal konstatierten, eine innige persönliche Feindschaft.

Der Kampf um die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Beziehungen dauert nicht erst seit der gegenwärtigen politischen Auseinandersetzung an. Bereits im November 2013 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte der Klage von vier homosexuellen griechischen Paaren stattgegeben, die sich von der bislang nur heterosexuellen Lebenspartnerschaften offenstehenden amtlichen Anerkennung benachteiligt sahen. Das Gericht hatte bereits damals den griechischen Staat verpflichtet, auch gleichgeschlechtliche Paare in seine Ehegesetze einzubinden. Den acht Klägern musste Athen jeweils 5.000 Euro Schmerzensgeld zahlen.

Griechische Medien bewerteten die nun gesetzlich angebahnte Gleichstellung gleichwohl mit eher pessimistischen Kommentaren. Das Abstimmungsverhalten der Gegner habe der Regierungspartei »den Spiegel vorgehalten«, schrieb die Athener Tageszeitung Efimerida ton syntakton. Entlarvt hätten sich »bigotte Heuchler der extremen Rechten«, die sich in großer Zahl auch in der Regierung und deren Partei zu erkennen gegeben hätten. Selbst die sich zuletzt im politischen Aufwind wähnenden Sozialdemokraten der Pasok (Panhellenische sozialistische Bewegung) hätten nicht durchweg dafür gestimmt, sondern sich hinter Kirchenfürsten und deren Popen versteckt.

Erstaunlich sei immerhin, dass der Premier es gewagt habe, sich mit der erzkonservativen Mehrheit der Synode anzulegen. Die orthodoxe Kirche Griechenlands ist von jeher für ihre historische Nähe zum rechten, faschistoiden Flügel der politischen Szene bekannt. Harte Antisemiten und Bellizisten wie der jüngst verabschiedete Metropolit von Thessaloniki, Anthimos, stellten in der Vergangenheit meist einen einflussreichen Teil der »geistlichen Führung«. Es darf daher davon ausgegangen werden, dass die Kirche die Tore ihrer Tempel für gleichgeschlechtliche Eheschließungen auch in Zukunft verschlossen halten wird.

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