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Aus: Ausgabe vom 23.02.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
MSC-Deal mit HHLA

Protest gegen MSC-Deal

Hamburger Hafenbeschäftigte und Gewerkschaft Verdi wollen Verkauf von Hafenbehörde an Genfer Reederei MSC verhindern
Von Burkhard Ilschner
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Ein Demonstrationzug der Hafenarbeiter und Sympathisanten startete von der HHLA-Zentrale in der Speicherstadt

Parolen wie »Unser Hafen, unsere Stadt, macht den MSC-Deal platt«, »Unser Hafen – nicht euer Casino!« waren am späten Mittwoch nachmittag in der Hamburger Speicherstadt zu hören. Mehrere hundert Menschen, Hafenarbeiter und Sympathisanten, hatten erneut gegen den geplanten Einstieg der Reederei MSC beim Hamburger Hafenlogistiker HHLA protestiert. Die Protestierenden – unterschiedliche Quellen nannten Zahlen zwischen rund 500 und knapp 1.000 – zogen von der HHLA-Zentrale in der Speicherstadt, vorbei an der lokalen MSC-Filiale zur senatorischen Wirtschaftsbehörde.

Im Herbst 2023 hatte der Senat das Vorhaben angekündigt, den bislang überwiegend staatseigenen Terminalbetreiber Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) zu knapp der Hälfte der weltgrößten Containerreederei Mediterranean Shipping Company (MSC) zu übereignen; das Unternehmen gehört der Familie Aponte, laut Infoportal Splash 247 »die reichste Familie der Schweiz«. Anfang vergangener Woche hat der Senat aus SPD und Grünen dazu einen offiziellen Beschluss gefasst, kommende Woche will Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) vor der Bürgerschaft eine Regierungserklärung abgeben. Mit einer Entscheidung des Landesparlaments wird im Mai dieses Jahres gerechnet, auch eine Zustimmung der EU-Kommission steht noch aus.

Die Kundgebung am Mittwoch hatte die Gewerkschaft Verdi initiiert. Bereits im vergangenen Jahr hatten mehrfach Protestaktionen stattgefunden, teils von Streiks und heftigen Auseinandersetzungen begleitet, aber auch deutlich stärker frequentiert. Es sei dahingestellt, ob es geschickt war, dass Verdi-Landesbezirksleiterin Sandra Goldschmidt dies am Mittwoch im Fernsehinterview mit Hinweis auf resignative Stimmung kommentierte.

Verdi sieht in der geplanten Fusion enorme Risiken für Tausende HHLA- und weitere Hafenbeschäftigte sowie eine Gefährdung der »Interessen der Stadtgesellschaft« insgesamt. Ohne einen weiterhin deutlichen Mehrheitsanteil der Stadt an der HHLA, so die Befürchtung, könne der Hafen weder ökonomisch und sozial noch umwelt- und klimapolitisch langfristig sinnvoll gestaltet werden. Überfällige Schritte wie die von der Ampel angekündigte nationale Hafenstrategie oder die oft geforderte überregionale Hafenkooperation würden durch den »MSC-Deal« blockiert oder behindert.

Der Deal sieht vor, dass Hamburg rund 20 Prozent seiner derzeitigen Aktien an MSC verkauft, damit die Reederei auf den angestrebten Anteil von 49,9 Prozent kommt. Das erfolgt zu einem Zeitpunkt niedrigen HHLA-Börsenkurses, heißt es, öffentliches Eigentum werde unter Wert verscherbelt. Der Hamburger Senat verkaufe gerade »das Tafelsilber der Stadt«, so der Dachverband »Kritische Aktionäre«. Gerade hat der HHLA-Vorstand mitgeteilt, dass 2023 Umbruch und Gewinn eingebrochen seien – was aber nach den jüngsten Boomjahren und angesichts schwacher Konjunktur niemanden ernsthaft wundert. Zugleich hat die HHLA-Tochter Metrans, Deutschlands zweitgrößtes Bahnunternehmen, soeben die Adria Rail Group übernommen – eine Ausweitung, die Kritiker des MSC-HHLA-Deals für einen Coup im Interesse der Genfer Reederei halten.

Unmut erzeugt auch, dass Details der Fusion bis heute nicht veröffentlicht wurden. Der zugesicherte Fünf-Jahres-Verzicht auf »betriebsbedingte Kündigungen« bei der HHLA reicht Verdi bei weitem nicht, weil das weder Verkäufe noch Stellenstreichungen oder Umstrukturierungen ausschließe. Der Hafenarbeiter und Verdi-Vertrauensmann Deniz Askar-Dreyer etwa hatte jüngst in einer Anhörung zum Hafenentwicklungsplan schwere Jobängste bei eigenen Kollegen, aber auch bei Festmachern, auf Schleppern und bei Laschern festgestellt, weil MSC derartige Tätigkeiten gerne eigenen Töchtern übertrage. Verdis für Häfen zuständiger Hamburger Fachbereichsleiter André Kretschmar formulierte ähnliche Bedenken. Es sei »nicht hinnehmbar, dass die Risiken einer rein profitorientierten Ausrichtung der strategisch wichtigen HHLA von den Beschäftigten und nicht zuletzt von unserer gesamten Stadtgesellschaft getragen werden müssen«.

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