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Aus: Ausgabe vom 23.02.2024, Seite 4 / Inland
Kirchenkrise

Regieanweisungen aus Rom

Katholische Kirche: Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe im Zeichen von Konflikt um Kirchenreformen
Von Kristian Stemmler
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Licht und Dunkel: Pilger der 166. Telgter Wallfahrt im niedersächsischen Glandorf (7.7.2018)

Die Unruhe in der von Massenaustritten geplagten katholischen Kirche in Deutschland wächst. Die sogenannten Laien bestehen auf mehr Mitsprache, die deutschen Bischöfe wollen den Druck von unten mit Reformen auffangen, der Vatikan allerdings bremst. Bei der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), die am Donnerstag in Augsburg zu Ende ging, sollte eigentlich über den Fortgang des Reformprozesses beraten werden. Doch nach einer Intervention des Vatikans unmittelbar zuvor hatte sich der DBK-Vorsitzende Georg Bätzing genötigt gesehen, das Thema von der Tagesordnung zu nehmen.

Im Fokus des Streits steht der sogenannte Synodale Weg, ein Reformprozess, der als Konsequenz aus den Skandalen um sexualisierte Gewalt in der Kirche 2019 vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) – einem Gremium der Laien – angestoßen wurde. Eines der zentralen Projekte ist dabei der »Synodale Rat«, in dem Bischöfe und Laien gemeinsam beraten und gleichberechtigt entscheiden sollen. Unter anderem das missfällt dem Vatikan (und ziemlich sicher auch vielen kleinen und großen deutschen Kirchenfunktionären). Drei Kurienkardinäle hatten die DBK in einem Schreiben aufgefordert, sich in Augsburg nicht mit der Vorbereitung für die Einrichtung dieses Gremiums zu befassen, weil diese Pläne in Widerspruch zu den Anweisungen des Papstes stünden.

Bätzing erklärte zum Abschluss der Vollversammlung am Donnerstag, die deutschen Bischöfe wollten den »Synodalen Weg« in enger Abstimmung mit dem Vatikan weitergehen. Er wolle »alles dafür tun«, um den Sorgen Roms zu begegnen, die im Brief der Kurienkardinäle zum Ausdruck gekommen seien. »Wir wollen in keiner Weise die Autorität der Bischöfe begrenzen«, so Bätzing. Zu den hohen Austrittszahlen sagte der Limburger Bischof, die Kirche dürfe sich nicht zurückziehen »und zur Sekte werden«.

Mit scharfer Kritik hatte ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp kurz vor Ende der Vollversammlung auf das Schreiben aus Rom reagiert. Sie warf den Kurienkardinälen vor, in ihrem Brief Zerrbilder zu zeichnen und Bischöfe wie Schuljungen zu behandeln. Absolut irreführend sei es, den deutschen Katholiken vorzuwerfen, Dinge ohne Abstimmung mit Rom im Alleingang voranzutreiben, sagte sie gegenüber dpa. Geradezu beschämend sei auch, dass die Kardinäle die Missbrauchsskandale mit keinem Wort erwähnten. Sie erwarte, dass die deutschen Bischöfe an ihren Reformversprechen festhielten und sich nicht einschüchtern ließen, so Stetter-Karp. Ziel des ZdK sei weiter gemeinsames Beraten und Entscheiden. »Für Beratung allein – oder anders gesagt für eine reine Simulation von Synodalität – stehen wir nicht zur Verfügung«, so die ZdK-Präsidentin.

Auch die Reformbewegung »Wir sind Kirche« äußerte Kritik an Rom. Christian Weisner, einer ihrer Sprecher, bezeichnete es am Donnerstag gegenüber der Nachrichtenagentur als großes Versäumnis des Vatikans, dass er den »Synodalen Weg« bis heute inhaltlich ignoriere und nur formal reagiere. Es sei »eigentlich nicht zu fassen, wie der Vatikan die katholische Kirche in Deutschland demütigt, die einen wesentlichen Teil des Vatikans mitfinanziert«. Jetzt sei dringend ein klärendes Konfliktgespräch nötig, bei dem aber auch die Laien und die theologische Wissenschaft aus Deutschland dabei sein sollten, erklärte Weisner: »Statt des Arguments der Macht brauchen wir wieder die Macht der Argumente – und keine Verzögerungstaktik.«

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  • Leserbrief von Doris Prato (26. Februar 2024 um 14:57 Uhr)
    Einige Anmerkungen, die man hätte durchaus einfügen sollen. Dass Rom die Beratungen des »Synodalen Rates« über Konsequenzen zur sexualisierten Gewalt in der Kirche bremsen will, ist kein Wunder. Denn die müssten unzweifelhaft die Rolle des deutschen Kardinals Ratzinger als Papst alias Benedikt XVI., des Vorgängers von Franziskus, dabei ans Licht bringen. Unter Ratzinger geschahen in der katholischen Kirche weltweit massenweise Sexualverbrechen, gegen die er nicht nur nichts unternahm, sondern sie im Gegenteil mit seiner auf bedingungslose Unterwürfigkeit ausgerichteten Erziehungslehre förderte. 1977 erlaubte er dem erzkonservativen »Neokatechumenalen Weg«, sich in seinem Bistum in München zu etablieren. Die Gemeinschaft fordert ein Leben »in Demut« und »absoluten Gehorsam gegenüber jedem Priester«. Wie sollen derart instruierte Kinder und Jugendliche sich jedwedem Ansinnen eines Priesters da widersetzen? Diesem Geist der Unterwürfigkeit diente Ratzinger als Papst weiter durch seine Förderung des Gotteswerkes Opus Dei, von dessen Universität er die Ehrendoktorwürde annahm. Gotteswerker saßen in den Regierungen des »Gaudillo« in Spanien und Pinochets in Chile, waren mit der faschistischen Putschloge der CIA »P2« am Mordkomplott gegen den christdemokratischen Parteiführer Alo Moro in Italien beteiligt, bereiteten ebenfalls mit ihrem auf absolute Unterwürfigkeit ausgerichteten Erziehungskodex Sexualverbrechen den Weg. 2002 stellte Ratzinger persönlich eine Propagandaschrift des »Opus Dei« vor, die von den Gläubigen verlangte: »Demütige dich«, du bist »ein Eimer für Abfälle«, »schmutziger, herabgefallener Staub«. Mit solcherart »Glaubensmaxime« bereitete auch das von Benedikt als Papst im Vatikan zu einem Machtzentrum etablierte Gotteswerk den Weg, dass sich Zöglinge dem Missbrauch, den Priester mit ihnen trieben, unterwarfen.
    Nach der Annexion der DDR durch die BRD betrieb Opus Dei seine Osterweiterung, darunter bei Berlin die Errichtung eines Jungengymnasiums. Die Leitung hatte Cervose Navarro, langjähriger Vizepräsident der Westberliner FU und damals Institutsdirektor für Neuropathologie. Sein Wirken in der klerikalfaschistischen Organisation hinderte den damaligen Bundespräsidenten, Roman Herzog, nicht, ihn mit dem Bundesverdienstkreuz zu dekorieren. Den Vorschlag hatte FU-Präsident Johann Gerlach unterbreitet und mit »sozialem und beruflichem Engagement« begründet.

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