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Aus: Ausgabe vom 21.02.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Nahostkonflikt

»Internationale Diktate«. Israel sträubt sich gegen Zweistaatenlösung

Von Knut Mellenthin
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Seit Monaten verlangen auch Angehörige von Geiseln eine Feuerpause in Gaza (Jerusalem, 19.2.2024)

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu, die von ihm geführte Koalitionsregierung aus Rechten und Faschisten, das durch Vertreter der stärksten Oppositionspartei Nationale Einheit erweiterte Kriegskabinett und darüber hinaus ein großer Teil der israelischen Gesellschaft scheinen gegenüber dem Rest der Welt »auf Krawall getrimmt«.

Am Sonntag verabschiedete das Gesamtkabinett in seiner wöchentlichen Sitzung einstimmig eine scharf formulierte gemeinsame Stellungnahme, mit der sich die Minister gegen »internationale Diktate« verwahren, die Israel angeblich eine »einseitige Anerkennung« des noch nicht wirklich existierenden palästinensischen Staates aufzwingen wollen. Das Thema steht schon seit Jahren auf der Tagesordnung: Seit dem 29. November 2012 hat Palästina, vertreten durch die Regierung in Ramallah, auf Beschluss der UN-Vollversammlung – gefasst mit 138 gegen neun Stimmen – den Status eines »beobachtenden Nichtmitglieds«, was ein schwer zu erklärendes Klein-bisschen-Mehr ist als nur ein Beobachter. Außerdem haben nach letztem Zählstand 2023, an dem sich aktuell vermutlich nicht viel geändert hat, 139 der 193 Mitglieder der Vereinten Nationen den Staat Palästina förmlich anerkannt. Viele Länder haben das übrigens gleich nach dessen Unabhängigkeitserklärung durch den PLO-Vorsitzenden Jassir Arafat am 15. November 1988 getan, mit der ein Beschluss des Palästinensischen Nationalrats umgesetzt wurde. Arafat und andere maßgebliche Politiker ließen sich damals vom Westen überreden, nicht einfach den gradlinigen »einseitigen« Weg weiterzugehen, sondern Israel durch den sogenannten Oslo-Prozess ein unantastbares, ewiges Vetorecht gegen die Bildung eines palästinensischen Staates einzuräumen.

Die jetzt von fast ganz Israel angeprangerte »einseitige Anerkennung« ist spätestens seit 2012 eine Tatsache, mit der man bequem und beruhigt leben kann. Problematisch wird die Formel erst, wenn engste Verbündete – Regierungspolitiker mehrerer europäischer Staaten und vielleicht sogar die US-Regierung – sie nicht mehr völlig und ohne Rücksicht auf sich wandelnde Umstände aus ihren Konzepten zu verbannen scheinen.

Am Montag wollte Netanjahu die Stellungnahme des Gesamtkabinetts vom Vortag noch einmal durch einen Beschluss der Knesset absegnen lassen. Im Laufe des Tages nahm er den starken Widerstand gegen sein Vorhaben aus den Reihen seiner eigenen Partei, des Likud, und aus dem faschistischen Lager zur Kenntnis. Deshalb verschob er die von ihm gewollte Parlamentssitzung auf diesen Mittwoch.

Der Hintergrund: Um die zur Opposition gehörenden Mitglieder des Kriegskabinetts in seine Taktik einzubinden, ließ die von Netanjahu eingebrachte Ablehnung der »Zweistaatenlösung« Spielraum für die Deutung zu, es ginge hauptsächlich um Bedenken gegen den Zeitpunkt und die Umstände. Die Parteien der extremen Rechten und eine nicht geringe Zahl von Politikern und Mitgliedern des Likud verlangen statt dessen für die von der Knesset zu beschließende Resolution ein unmissverständliches Bekenntnis zur grundsätzlichen Ablehnung eines palästinensischen Staates.

Dass es dafür eine parlamentarische Mehrheit gibt, ist aber nicht wahrscheinlich. Abgesehen von wenigen Politikern der Arbeits- und der linken Meretz-Partei ist sich das zionistische Spektrum zwar in der Sache einig, aber nicht in der Bestimmung der günstigsten Taktik zur Erhaltung des ungeschmälerten westlichen Wohlwollens.

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