Zweistaatentheater
Von Knut MellenthinDas israelische Kabinett hat am Sonntag einstimmig eine Stellungnahme beschlossen, die als Ohrfeige an die Adresse der USA zu verstehen ist, auch wenn diese nicht direkt genannt werden. Israel weise »internationale Diktate hinsichtlich einer dauerhaften Einigung mit den Palästinensern« entschieden zurück, heißt es dort. Das Land halte an seiner Ablehnung der »einseitigen Anerkennung« eines palästinensischen Staates fest. »Eine solche Anerkennung so kurz nach dem Massaker vom 7. Oktober wäre eine massive und beispiellose Belohnung des Terrorismus und würde jede zukünftige Friedensregelung zunichte machen.« Eine Lösung, falls sie erreicht werden sollte, könne »nur durch direkte Verhandlungen zwischen den Seiten zustande kommen«.
Mit der Stellungnahme kam Premierminister Benjamin Netanjahu seinen extrem rechten Koalitionspartnern entgegen, die schon am vergangenen Mittwoch einen entsprechenden Kabinettsbeschluss gefordert hatten. Zugleich konnte er den Formulierungen etwas an Schärfe und Unbedingtheit nehmen. Jetzt kann die Stellungnahme mit sehr viel Selbsttäuschung von Israels westlichen Verbündeten so gelesen werden, als bezöge sich die einstimmige Ablehnung nicht grundsätzlich auf einen Palästinenserstaat, sondern lediglich auf den jetzigen Zeitpunkt und auf die Umstände seines Zustandekommens.
Wichtig ist für Netanjahu, dass nicht nur alle Parteien der im Dezember 2022 gebildeten Koalition der Erklärung zugestimmt haben, sondern auch die Vertreter des oppositionellen Mitte-rechts-Wahlbündnisses »Nationale Einheit«, die seit Oktober 2023 dem Kriegskabinett angehören. Deren Entscheidung ist allerdings logisch, da keiner von ihnen einen Palästinenserstaat in Betracht zieht, und zwar völlig unabhängig von den konkreten Bedingungen. Abgesehen von den arabischen Parteien kam nur aus der ehemals einflussreichen Arbeits- und von der vergleichsweise linken Meretz-Partei Kritik an der rigorosen Weigerung des übrigen zionistischen Spektrums, sich eine Diskussion zum Thema »Zweistaatenlösung« wenigstens aus taktischer Rücksichtnahme auf die USA offenzuhalten.
Ausgangspunkt der Regierungsstellungnahme vom Sonntag war ein außergewöhnlich langer Artikel der Washington Post vom Mittwoch, der Behauptungen aneinanderreihte, die auf viele Israelis anscheinend schockierend wirkten. Die Biden-Regierung verhandle in hohem Tempo mit einer »kleinen Gruppe nahöstlicher Partner«, »um einen detaillierten, umfassenden Plan für einen Langzeitfrieden zwischen Israel und den Palästinensern fertigzustellen«, der einen »festen Zeitplan« für die Bildung eines palästinensischen Staates beinhalten solle und schon »in den nächsten Wochen verkündet« werden könne. Das zentrale Problem sei, ob Israel dem zustimmen könne, was zwischen den USA und ihren Partnern – Ägypten, Jordanien, Katar, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und der Nationalbehörde in Ramallah – diskutiert worden sei: der Abzug vieler, wenn nicht sogar aller Siedlungen aus dem besetzten Westjordanland; eine palästinensische Hauptstadt in Ostjerusalem; Sicherheits- und Regierungsarrangements für eine Kombination aus Westbank und Gaza.
Die Schwäche des Textes der Washington Post ist offensichtlich: Er enthält nicht eine einzige bestätigte Information und zitiert nur eine einzige Person, einen Vertreter der Fatah, namentlich. Dieser taucht mit einer Einschätzung auf, nicht mit relevantem Wissen. Nach der Ausrufung des »Kriegs gegen den Terror« durch den damaligen US-Präsidenten George W. Bush gab es zwischen den seriösen Medien der USA eine Verabredung, so minderwertige und zum Missbrauch einladende »Informationen« nicht mehr zu publizieren. Anderseits liegt der Vorteil für Netanjahu auf der Hand: Er hat nicht nur seine Regierungskoalition, sondern auch den größten Teil der Opposition dazu gebracht, sich einstimmig gegen »Zumutungen« zu wehren, denen ihre »besten Verbündeten«, die USA, sie in Wirklichkeit gar nicht aussetzen wollen.
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