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17.02.2024, 19:18:35 / Inland
Münchner Sicherheitskonferenz

Gegen NATO-Warlords

Tausende protestieren gegen Münchner »Sicherheitskonferenz«. Solidarität mit Palästina bei linker Demonstration zentral
Von Nick Brauns, München
Protest gegen Sicherheitskonferenz
Kundgebung des Aktionsbündnisses gegen die NATO-Sicherheitskonferenz am Samstag in München

»Kriegstreiber unerwünscht« hieß es Sonnabend Nachmittag in der Münchner Innenstadt. Das aus einer Vielzahl linker Gruppen bestehende Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz hatte zu Protesten gegen das Treffen im wenige hundert Meter entfernten Luxushotel Bayerischer Hof aufgerufen. Dort versammelten sich zahlreiche Regierungsvertreter aus aller Welt, Militärs und Rüstungslobbyisten. Es sei eine Zusammenkunft von »NATO-Warlords unter Führung der USA«, sagte der Vorsitzende der kritischen Soldatenvereinigung »Darmstätter Signal«, die der Friedensbewegung nahesteht, auf der Kundgebung.

Ohne die NATO hätte es keinen Krieg in der Ukraine gegeben, ohne deren Osterweiterung ständen heute keine russischen Truppen in der Ukraine, ist sich der frühere Oberstleutnant Jürgen Rose sicher. Er geißelte das Spitzentreffen als »Unsicherheitskonferenz« und beendete seine Rede mit dem Slogan »Schwerter zu Pflugscharen«. Auch der frühere griechische Finanzminister Yanis Varoufakis zielte in seiner Rede auf die USA. Europäische Staaten seien eine »Kolonie der Vereinigten Staaten von Amerika«, sie seien »Sklaven« der Wallstreet, des Bankensektors, der Ölkonzerne, so der Ökonom. Darum seien Proteste wie hier in München so wichtig.

Die Solidarität mit den Palästinensern angesichts des israelischen Krieges gegen Gaza stand im Mittelpunkt der Proteste des linken Bündnisses. Palästinafahnen waren ebenso zahlreich wie die roten Fahnen der sozialistischen und kommunistischen Organisationen. Ein großer Block von Palästinensern wurde von einer Gruppe in blauen Medizinerkitteln angeführt, in ihren Armen blutige Bündel, die getötete Babies darstellen sollten. Ganze 45 Meter lang war das größte Banner: Es enthält die Namen von 5.000 von der israelischen Armee in Gaza getöteten Palästinensern und damit nur einen Bruchteil der bislang rund 30.000 palästinensischen Todesopfer dieses Krieges.

Lasst unsere Stimme erklingen »für universelle Rechte zwischen zwei Gewässern« im Nahen Osten, forderte Varoufakis verklausuliert, nachdem er informiert wurde, dass die Losung »From the river to the sea, Palestine will be free« durch den Auflagenbescheid zur Demonstration verboten worden war. Die irische EU-Abgeordnete Clare Daly zeige sich entsetzt über den live über Social Media übertragenen »Genozid« in Gaza und geißelte ihrerseits in ihrer kämpferischen Rede die Komplizenschaft von EU und USA bei den israelischen Verbrechen.

Insgesamt folgten ähnlich wie im Vorjahr bis zu 3.000 Demonstranten dem Aufruf des linken Bündnisses. Unter anderem DKP und SDAJ, die Partei Die Linke, MLPD, Kommunisten aus der Türkei und Trotzkisten sowie die Strömung »Perspektive Kommunismus« waren teilweise mit eigenen Blocks vertreten. Franz Haslbeck vom Aktionsbündnis zeigte sich gegenüber junge Welt grundsätzlich zufrieden mit dem Verlauf der Kundgebung. Angesichts der Weltlage hätte er sich allerdings eine stärkere Beteiligung erhofft. »Leider liegt die Deutungshoheit über die veröffentlichte Meinung bei den kapitalistischen Medien«, sagte er über einen Grund, warum nicht mehr Menschen erreicht wurden. »Seit der Verkündung der Zeitenwende haben wir in den Medien eine 180 Gradwende weg von der Forderung nach Frieden und hin zu Krieg und Waffenlieferungen erlebt.«

Rund 1.500 Menschen haben sich auf dem Königsplatz zur Kundgebung und Demonstration des aus der Querdenkerszene kommenden Zusammenschlusses »München steht auf« unter dem Motto »Macht Frieden!« versammelt. Es dominierten blaue Fahnen mit der Friedenstaube, viele Forderungen ähnelten denjenigen des linken Aktionsbündnisses. Es brauche eine neue europäische Friedensordnung mit Russland, aber ohne die NATO, forderte ein Redner. Vor einem Jahr hatte die Gruppe, die sich als »weder rechts noch links« bezeichnet, noch 15.000 Demonstranten gegen die Sicherheitskonferenz mobilisieren können. Anders als damals waren diesmal keine erkennbaren Neonazis und AfD-Anhänger dabei. Während auf der linken Demonstration viele jüngere Leute und Migranten etwa aus der Türkei, Kurdistan und Palästina zu sehen waren, war die Macht-Frieden-Kundgebung von mittelalten und älteren weißen Menschen geprägt.

Vor der Feldherrenhalle auf dem Odeonsplatz hatten sich derweil rund 1.500 meist ukrainische Demonstranten versammelt, um noch mehr schwere Waffen für Kiews Armee im NATO-Stellvertreterkrieg gegen Russland zu fordern. Dafür setzten sich auf der Kundgebung die üblichen Verdächtigen wie die Vorsitzende des Bundestagsverteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), der Grünen-Poliker Anton Hofreiter und der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter. »Die Krimbrücke wäre längst Geschichte, hätte die Ukraine Taurus«, warb der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn, für die Lieferung dieses Marschflugkörpers, mit dem Ziele tief auf russischem Territorium getroffen werden können und dessen Sensorik erkennt, welche Materialschichten bereits durchschlagen worden sind.

Der CSU-Abgeordnete beendete seine Rede mit dem ukrainischen Faschistengruß »Slava Ukraini«, der von der Menge aufgegriffen wurde. Passend dazu waren neben zahlreichen ukrainischen und einigen NATO-Fahnen am Rande der Kundgebung auch die rot-schwarzen Banner der Anhänger des Nazikollaborateurs Stepan Bandera zu sehen – von Jugendlichen und Kindern getragen.

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