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Aus: Ausgabe vom 19.02.2024, Seite 6 / Ausland
Krieg gegen Gaza

Netanjahu bleibt hart

Gaza: Israelischen Premier interessieren internationale Warnungen vor Einmarsch in Rafah nicht. Nasser-Krankenhaus in Khan Junis außer Betrieb
Von Ina Sembdner
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Israelische Vorstellung für ganz Rafah: Bombenkrater am Sonntag nach einem Luftangriff

Kämpfe, Treibstoffmangel und israelische Angriffe haben das zweitgrößte Krankenhaus des Gazastreifens am Sonntag völlig außer Betrieb gesetzt. Das berichteten lokale Beamte laut Reuters aus der verwüsteten palästinensischen Enklave, deren Einwohner fast alle aus ihren Häusern vertrieben wurden. Die Zahl der seit dem 7. Oktober Getöteten bezifferte die Gesundheitsbehörde in Gaza am Sonntag auf mindestens 28.900, die meisten von ihnen Zivilisten und mehr als 12.000 Kinder und Jugendliche.

Mehr als eine Million Menschen harren in dem an der Grenze zu Ägypten gelegenen Rafah in provisorischen Zeltlagern aus – die israelische Regierung von Premier Benjamin Netanjahu bekräftigte am Wochenende die Pläne, die militärische Offensive auf die Grenzstadt auszuweiten. Man werde sich in der Frage dem internationalen Druck nicht beugen. »Wer uns an dem Einsatz in Rafah hindern will, sagt uns letztlich ›Verliert den Krieg‹«, so Netanjahu am Samstag abend in Jerusalem. Das werde er nicht zulassen. Vor dem Beginn einer Offensive werde den Zivilisten in den Kampfgebieten aber ermöglicht, sich in sichere Gegenden zu begeben, erklärte der Premier. Wo sich diese befinden sollen, ließ er naturgemäß offen. Eine »von internationalen Parteien aufgezwungene Friedensregelung mit den Palästinensern« lehnt die Regierung ab. Netanjahus Kabinett billigte am Sonntag einstimmig eine entsprechende Erklärung.

Der Ministerpräsident der palästinensischen Autonomiegebiete und des Staats Palästina, Mohammed Schtaje, forderte von Netanjahu, die im Süden des Gazastreifens zusammengedrängte Bevölkerung in ihre Wohngebiete zurückkehren zu lassen. Zugleich warnte er den israelischen Premier am Rande der Münchner »Sicherheitskonferenz« davor zu versuchen, die Menschen militärisch nach Ägypten zu vertreiben. »Wir und die Ägypter haben intensiv daran gearbeitet, das nicht zu erlauben«, sagte Schtaje am Sonntag. Es gebe enge Kontakte mit Kairo, das auf ägyptischer Grenzseite eine Pufferzone und Zäune gebaut, aber Berichte über Aufnahmelager zurückgewiesen hat. Schtaje sagte dazu: »Ägypten wird niemandem eine Überquerung der Grenze erlauben.« Auf Einladung Russlands soll es demnach am Donnerstag ein Treffen der palästinensischen Gruppen in Moskau geben.

Die Krankenhäuser im Gazastreifen stehen im Mittelpunkt des seit vier Monaten von Israel gegen »die Hamas« geführten Krieges. Das Nasser-Krankenhaus in der südlichen Stadt Khan Junis war am Sonntag früh außer Betrieb, wie der Sprecher des Gesundheitsministeriums von Gaza, Aschraf Al-Kidra, gegenüber Reuters erklärte. Es beherberge noch immer zahlreiche Patienten, die an Kriegsverletzungen und wegen der sich verschlimmernden Gesundheitskrise litten, aber es gebe keinen Strom und nicht genug Personal, um sie alle zu behandeln. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) drängte Israel, ihren Mitarbeitern Zugang zum Krankenhaus zu gewähren. Nach eigenen Angaben waren sie durch eine wochenlange Belagerung und Razzien der israelischen Streitkräfte auf der Suche nach Hamas-Kämpfern daran gehindert worden, den Patienten zu helfen. »Sowohl gestern als auch vorgestern wurde es dem WHO-Team nicht gestattet, das Krankenhaus zu betreten, um den Zustand der Patienten und die kritischen medizinischen Bedürfnisse zu beurteilen, obwohl es das Krankenhausgelände erreicht hatte, um Treibstoff zu liefern«, erklärte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus auf X. Das Militär hatte vergangene Woche erklärt, es sei auf der Jagd nach militanten Kämpfern im Nasser-Hospital und habe mindestens 100 Verdächtige auf dem Gelände festgenommen, Bewaffnete in der Nähe des Krankenhauses getötet und Waffen im Krankenhaus gefunden.

Laut einem israelischen Thinktank werde der Militäreinsatz in der nördlich von Rafah gelegenen Stadt Khan Junis in Kürze abgeschlossen sein. »Ich denke, es ist eine Sache von Tagen«, sagte Kobi Michael vom israelischen Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) am Sonntag dem Sender i24news. »Khan Junis wird dann militärisch von der israelischen Armee kontrolliert.« Eine neue Vereinbarung mit der Hamas über die Freilassung weiterer Geiseln im Gegenzug für eine Feuerpause und Freilassung palästinensischer Gefangener könne aber einen Einsatz in Rafah möglicherweise noch verzögern, so Michael.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (19. Februar 2024 um 11:48 Uhr)
    Israel bereitet eine Militäroffensive gegen die Stadt an der ägyptischen Grenze vor, um gegen die islamistische Hamas vorzugehen. In dem Ort im Süden des Gazastreifens haben Hunderttausende Binnenflüchtlinge Schutz gesucht, was zu erheblicher Kritik an den Plänen führt. Der Premier Israels weist internationale Kritik zurück. Gleichzeitig steigt der internationale Druck auf Israel, die Möglichkeit eines Palästinenserstaats zu erwägen. Selbst enge Verbündete wie die USA und Großbritannien haben angedeutet, dass sie einen Palästinenserstaat einseitig anerkennen könnten. Das wäre für Israel schockierend. Netanjahu hat in einer Regierungserklärung die Ablehnung eines eigenen palästinensischen Staats bekräftigt – ein Zeichen dafür, dass er dem massiven internationalen Druck aus nationalen Interessen nicht nachgeben wird. Es bleibt unklar, wie Israel sich seine Zukunft in der demographischen Zange der Araber vorstellt. Ist es genug, immer wieder Kriege zu führen und zu »gewinnen«, jedoch niemals Frieden zu erlangen? Wer möchte schon in einem solchen Land leben?
    • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (19. Februar 2024 um 16:31 Uhr)
      Die immer mal wiederkehrenden lauen Plädoyers für eine vermeintliche Zweistaatenlösung sind nichts als gezielte heuchlerische Rhetorik. Sie waren zu keinem Zeitpunkt etwas anderes. Entweder wird es eines Tages einen gemeinsamen Staat geben; »Palästinael«, oder wie immer der auch heißen und aussehen mag oder Israel wird für immer der Geschichte angehören.

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