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Aus: Ausgabe vom 19.02.2024, Seite 4 / Inland
Kurdische Bewegung

Der Drohkulisse getrotzt

Köln: Zehntausende fordern Freilassung des PKK-Gründers Öcalan
Von Henning von Stoltzenberg
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Demonstranten am Sonnabend in Köln

Bei einer Großdemonstration in Köln haben am Sonnabend Zehntausende Menschen die sofortige Freilassung des PKK-Gründers Abdullah Öcalan gefordert. Die Teilnehmer reisten aus ganz Deutschland und dem europäischen Ausland an. Bereits am frühen Morgen trafen die ersten Busse ein. Der Auftakt fand an der Deutzer Werft statt, dort endete die Veranstaltung auch mit einer Abschlusskundgebung nach einem Demonstrationszug durch die Stadt.

Am 15. Februar jährte sich Öcalans völkerrechtswidrige Verschleppung aus Kenia in die Türkei im Rahmen einer internationalen Geheimdienstoperation zum 25. Mal. Seitdem wird Öcalan auf der türkischen Gefängnisinsel İmralı festgehalten, die meiste Zeit verbringt er in Totalisolation. Diese Form der Inhaftierung ist international als »weiße Folter« geächtet. Das letzte Lebenszeichen von Öcalan war ein unterbrochenes Telefongespräch im März 2021.

Die Demonstranten forderten außerdem, dass erneute Gespräche mit dem Inhaftierten als kurdischem Repräsentanten aufgenommen werden. Öcalans Inhaftierung wird von seinen Unterstützern als größtes Hindernis für eine Lösung für Kurdistan und die damit einhergehende Demokratisierung der Türkei angesehen. Öcalan müsse Kontakt zu seiner Rechtsvertretung und seinen Angehörigen gewährt werden, bevor er aus der Haft entlassen wird. Nur auf diese Weise lasse sich der Krieg in Kurdistan und der gesamten Nahostregion beenden, heißt es in einem Statement der Organisatoren.

Der kurdische Dachverband KON-MED zeigte sich am Sonntag zufrieden mit der Beteiligung an der Demonstration. »Es war eine der größten Demonstrationen, zu denen wir in den letzten Jahren aufgerufen haben«, erklärte der Vorsitzende Kerem Gök. Aus seiner Sicht wurde in Köln ein wichtiges Zeichen gesetzt. »Der kurdische Repräsentant Abdullah Öcalan muss nach 25 Jahren Haft endlich seine Freiheit wiedererlangen«, forderte Gök.

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Teilnehmer der Kundgebung in der Deutzer Werft

Kritik übte der Verband an der Berichterstattung vor der Demonstration. Es sei eine Drohkulisse aufgebaut und eine Atmosphäre erzeugt worden, in der die Teilnehmenden der Veranstaltung als »Gefahr für die Öffentlichkeit« dargestellt wurden. Insbesondere die reißerische und irreführende Überschrift eines Artikels in einer Kölner Lokalzeitung (»15.000 zu Großdemo für Anführer von Terrorgruppe in Köln erwartet«) sei skandalös und gehe am Kern des Anliegens der Demonstranten vorbei, erklärte Ruken Akça (KON-MED) gegenüber der Agentur ANF.

Vor der Demo hatte das Polizeipräsidium Köln versucht, das Zeigen von Bildern Abullah Öcalans zu verhindern – und war damit zum Teil gescheitert. Das Verwaltungsgericht Köln gab der Klage der Versammlungsleitung teilweise recht und erlaubte eine Öcalan-Fahne mit weißem Hintergrund, da hier kein PKK-Bezug zu erkennen sei. Eine andere Fahne mit Öcalan-Bild, einer Friedenstaube und einer gelben Sonne im Hintergrund sowie weitere Motive blieben jedoch untersagt.

Neben kurdischen Politikerinnen und Politikern waren auch Vertreterinnen und Vertreter von Organisationen und Parteien aus Österreich, Sri Lanka, Italien, Norwegen, Frankreich, Deutschland, dem Baskenland, Katalonien und Island zugegen. Als Rednerinnen und Redner eingeladen waren unter anderem der ehemalige KPÖ-Vorsitzende Walter Baier als Vorsitzender der Europäischen Linken, der frühere Justiz- und spätere Innenminister Islands, Ögmundur Jónasson, Roberto Mapelli vom Punto Rosso-Verlag aus Italien, René Lemignot von der antirassistischen Bewegung MRAP und Sabine Skubsch aus dem Bundesvorstand der Linkspartei. Stark präsent waren auch Beteiligte des internationalistischen Sternmarschs aus zahlreichen Ländern, die vor einer Woche in Paris, Mannheim und Basel aufgebrochen waren, um nach Strasbourg vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen. Nach einer Konferenz in Strasbourg fuhren sie nach Köln, um dort die Spitze der Großdemonstration zu bilden.

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