4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
Gegründet 1947 Freitag, 3. Mai 2024, Nr. 103
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
4. Mai, Diskussion zu Grundrechten 4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
Aus: Ausgabe vom 17.02.2024, Seite 6 / Ausland
Konflikt mit Russland

Bundesheer will kämpfen

Österreich: Militärische Infrastruktur wird unter Missachtung des Gebots der Neutralität ausgebaut
Von Dieter Reinisch, Wien
6.jpg
Bereit zum Sterben: Gelöbnis von Rekruten am Nationalfeiertag (Wien, 26.10.2023)

Das österreichische Bundesheer soll fit für den Krieg gemacht werden. Seit Monaten malen die Abgeordneten fast aller Parteien die Gefahr eines möglichen Angriffs durch Russland an die Wand. Am 31. Januar drehte sich eine Parlamentsdebatte um dieses Thema. »Die Raketen, die Russland abschießt, können auch in Österreich landen«, erklärte ÖVP-EU-Spitzenkandidat Reinhold Lopatka. David Stögmüller (Grüne) wusste: »Wenn die Ukraine fällt, steht Putin bei uns vor der Tür.« Mit solchen Bekundungen soll die Bevölkerung, die sich gegen einen NATO-Beitritt und für die Beibehaltung der Neutralität ausspricht, wie durchweg alle Umfragen klar zeigen, auf eine Militarisierung des Landes vorbereitet werden.

Am Montag wird zunächst einmal die Anschaffung von 225 neuen Radpanzern des Typs »Pandur« unter Dach und Fach gebracht – die Mannschaftstransporter sollen leichtere Truppenverschiebungen hin zur Front ermöglichen. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) und der Geschäftsführer von General Dynamics European Land Systems-Steyr, Martin Reischer, wollen sich dazu am Vormittag im östlichen Wiener Arbeiterbezirk Simmering treffen, um den entsprechenden Vertrag zu unterzeichnen. Die Kosten: 1,8 Milliarden Euro. Bereits 2021 hatte das Verteidigungsministerium 30 Stück des Mannschaftstransporters bestellt. Die Investitionssumme betrug damals 106 Millionen Euro. Das gepanzerte Fahrzeug bietet den Soldaten im Inneren Schutz vor Splittern, vor Beschuss durch Infanteriewaffen oder vor Minen und zeichnet sich durch Beweglichkeit und hohe Geschwindigkeit aus. Zum Einsatz kommt es bei Infanterieverbänden.

Im Rahmen der »Mission Vorwärts« wurde am Mittwoch zusätzlich die »Modernisierung der Infrastruktur« beschlossen. Das Bundesheer zeigt sich mit der Ministerin, wenig überraschend, zufrieden: »Mit Bundesministerin Tanner kommt erstmals seit zehn Jahren Bewegung in die Erneuerung militärischer Liegenschaften. (…) Unser Bundesheer in Wien wird modernisiert, und das ist ein wichtiger Schritt für unsere Soldaten«, freut sich der Wiener Militärkommandant, Brigadier Kurt Wagner, in einer offiziellen Stellungnahme.

Zusätzlich 47,7 Millionen Euro werden im Rahmen des »Aufbauplans 2032« in künftige Infrastrukturplanungen einfließen: »Damit erreichen wir bessere Arbeits- und Rahmenbedingungen für die Wiener Soldaten, Zivilbedienstete und Grundwehrdiener. In den nächsten Jahren investieren wir außerdem 200 Millionen Euro in die Infrastrukturen in Wien«, so Tanner weiter. Künftig soll das Areal der Meidlinger Kaserne für das Sicherheitszentrum des Bundesministeriums für Inneres, also als Sitz des Geheimdienstes, ausgebaut werden.

Am 25. Januar debattierte das Parlament über die Neutralität – eine Pflichtübung: Knapp 120.000 Personen hatten ein Volksbegehren für die Beibehaltung der Bündnisfreiheit unterzeichnet. Unter den Abgeordneten herrschte fraktionsübergreifende Einigkeit darüber, dass die Neutralität erhalten werden müsse. Unterschiedliche Auffassungen herrschten jedoch bezüglich ihrer Ausgestaltung. Während sich die Grünen und die liberalen Neos für eine »Weiterentwicklung im Sinne einer Verstärkung der internationalen Kooperationen« aussprachen, sah Rechtsausleger FPÖ durch solche Bestrebungen die Neutralität an sich gefährdet. Vergangenen Sommer war Österreich trotz Neutralität dem NATO-geführten Raketenabwehrsystem »Sky Shield« beigetreten.

Ende September wird der Nationalrat gewählt. Das Thema dürfte den Wahlkampf dominieren und der FPÖ in die Hände spielen. Denn nur sie ist wie die Mehrheit der Bevölkerung eindeutig gegen eine verstärkte NATO-Anbindung Österreichs. Unklar dagegen bleibt die SPÖ-Position: Die Neutralität sei Teil österreichischer Identität und des »Fundamentes der Republik«, konstatierte Bundesheer-Sprecher Robert Laimer. Er deutete das Volksbegehren lediglich im Sinne eines Wunsches der Bevölkerung nach einer friedvollen Zukunft, was angesichts der zahlreichen weltweiten Krisenherde verständlich sei.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. Alle Standorte finden Sie unter diesem Link.

  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Marcus B. (19. Februar 2024 um 17:58 Uhr)
    Freudenhauspreise und mehr als 100 Prozent Inflation in nur drei Jahren! Die aktuell geplanten 225 Radpanzer kosten also 8 Mio. Euro pro Stück; von Mengenrabatt keine Spur, denn der Stückpreis lag im Jahr 2021 mit 3,5 Mio. bei weniger als der Hälfte. Und wieder zeigt sich, dass das mit Rüstung für Verteidigungsfähigkeit oder gar Kriegstüchtigkeit nichts zu tun hat, sondern nur die Kassen der Rüstungsindustrie klingeln lässt, weiß man doch, dass man einen Popanz aufbaut. Zum Vergleich: ein aktueller T-90M kostet weniger (!) als 8 Mio, möglicherweise nicht mal die Hälfte, wenn man mal die Exportpreise älterer Versionen als Richtschnur nimmt (https://kurzelinks.de/h1kh); und der verputzt Radpanzer zum Frühstück. Selbstverständlich hält man sich in Russland bedeckt, aber ich bezweifle, dass die eigene Armee mehr berappen muss als die anderer Staaten. Obendrein ist das ein echter Panzer und kein glorifizierter Bus, der lediglich vor Infanteriewaffen, also Sturm- und kleinen Maschinengewehren, Handgranaten etc., und mit etwas Glück(!) gegen Minen Schutz bietet – weiterfahren kann er schonmal nicht nach Kontakt mit solchen, denn die Reifen sind dann platt, wodurch seine Besatzung ein leichtes Ziel ist. Sowas muss billig sein und braucht auch keinen High-Tech-Schnickschnack, im Gegenteil, aber wir glauben halt gern an die Überlegenheit unserer »glorreichen Technologie«. Es ist mir echt schleierhaft, warum man nicht bei den Russen Ideen klaut und stattdessen eher, ob der vermeintlich primitiven Technik, die Nase rümpft. Obwohl, die Marge muss ja stimmen.
  • Leserbrief von Wolfgang Schmetterer aus Graz (19. Februar 2024 um 15:08 Uhr)
    An Stögmüller sieht man deutlich, dass selbst die österreichischen Grünen den Sonnenhut gegen den Stahlhelm getauscht haben und zu willigen Handlangern des Kapitals und des Militarismus geworden sind. Ganz gleich, ob ihnen das bewusst ist oder aber der Fäulnisgeruch der auf dem Müll- bzw. – in diesem Fall – Komposthaufen entsorgten zeitgeschichtlichen Zusammenhänge für geistige Ver(w)irrung gesorgt hat, als gemeiner Staatsbürger Österreichs kann man sich wieder einmal nur in Grund und Boden schämen. Es ist schade, dass es in Österreich keine Kräfte wie die DKP (mit ihrer wöchentlich erscheinenden UZ) gibt, die Klartext schreiben. Die KPÖ setzt sich zwar für Frieden ein und tritt gegen Militarismus auf, aber dem Stögmüller’schen Blödsinn kann man nur wirksam entgegentreten, wenn man klarmacht, dass das Problem nicht der (Achtung: Ironie!) vor den Toren Wiens stehende Wladimir Putin ist. Gerade das kann sich die KPÖ politisch aber nicht erlauben (weswegen sie sich in Äquidistanz übt), denn dann ist ihre relative Mehrheit (in Graz) bei der nächsten Wahl mit Sicherheit Geschichte. Dass die »blaune« FPÖ von der konzertierten Aushöhlung der Neutralität profitieren wird, ist aber gerade der Abwesenheit starker linker Kräfte zu verdanken, die für Aufklärung sorgten – für Aufklärung gerade bei der jüngeren Generation, zu der Stögmüller zu zählen ist, und die es letztlich in der Hand hat, Österreich wieder freundschaftlich an Russland (und damit an Frieden und Wohlstand) anzunähern oder mit in den »EU«ropäischen Abgrund aus Krieg und Wirtschaftsniedergang (ausgenommen: Rüstungskonzerne) zu führen/reißen. Wir haben der Sowjetunion bzw. Russland viel zu verdanken. Als Dank dafür darf die »immerwährende« (was ist an diesem Begriff unklar!?) Neutralität nicht in Frage gestellt werden. Das ist das Mindeste, das von uns zu erwarten sein sollte.

Ähnliche:

  • Große Solidaritätsbewegung für die Freilassung von Öcalan, Frank...
    15.02.2024

    Im Knast seit 25 Jahren

    Nach langer Irrfahrt entführt. Am 15. Februar 1999 wurde der PKK-Anführer Abdullah Öcalan in Nairobi festgenommen. Er ist bis heute in der Türkei inhaftiert
  • Antikriegsdemonstration von Mitgliedern der Kommunistischen Part...
    26.02.2022

    Kampf um den Frieden

    Gegen Russlands Angriff und NATO-Aggression: Stimmen linker und kommunistischer Parteien zum Krieg in der Ukraine
  • Badegäste duschen im Donau-Strandbad in Klosterneuburg bei Wien ...
    25.08.2021

    Auf dem Papier neutral

    Trotz anderslautender Gesetzgebung: Österreich unterstützt westliche Militärübungen wie zuletzt das NATO-Manöver »Defender Europe 21«

Mehr aus: Ausland