»Zeltstädte« für Palästinenser
Von Knut MellenthinInternationale Medien phantasieren über Gespräche zwischen der US-Regierung und »mehreren arabischen Partnern«, die angeblich einen »detaillierten Plan für ein umfassendes Friedensabkommen zwischen Israel und den Palästinensern« zum Gegenstand haben. Der Plan soll unter anderem eine »feste Timeline« für die Bildung eines palästinensischen Staates zum Inhalt haben. Die Washington Post behauptete am Donnerstag unter Berufung auf »amerikanische und arabische Offizielle«, die selbstverständlich ihre Namen nicht genannt sehen wollten, dass schon »in den nächsten Wochen« ein Entwurf bekanntgegeben werden könne. Er enthalte Schritte, die Israel bisher immer abgelehnt habe, wie etwa die Evakuierung vieler jüdischer Siedlungen auf der seit 1967 besetzten Westbank, die Anerkennung einer palästinensischen Hauptstadt in Ostjerusalem und die Bildung eines gemeinsamen Sicherheitsapparats für die Westbank und den Gazastreifen. Wenn der reale Hintergrund nicht so furchtbar wäre, könnte das faktenfreie Geschwätz als Groteske durchgehen.
In Wirklichkeit stehen die israelischen Streitkräfte ganz kurz vor »Operationen« in Rafah, im südlichen Teil des Gazastreifens, die das Potential haben, alles bisher von ihnen Angerichtete an Grausamkeit und Tödlichkeit noch einmal zu überbieten. Denn auf diesem kleinen Gebiet wurden durch die israelischen Angriffe mehr als eine Million Menschen zusammengedrängt. Kein Problem, behauptet die israelische Propaganda: »Wir halten euch Fluchtkorridore offen.« In diesem Krieg werden Menschen nicht nur von einem Punkt ausgehend zu anderen vertrieben, sondern sie werden immer wieder hin und her gejagt, ohne dass sie in irgendeinem Teil des Gazastreifens, der nur halb so groß ist wie der deutsche Stadtstaat Hamburg, Sicherheit vor dem Terror der israelischen Streitkräfte finden könnten. Am Donnerstag lag die Zahl der Todesopfer des Rachefeldzugs bei über 28.000. 70 Prozent der Getöteten sind Kinder, Jugendliche und Frauen. Fast ganz Israel und seine Freunde überall in der Welt sind hellauf empört, weil das weltweit Protest produziert.
Und die Zukunft? Das Wall Street Journal (WSJ) behauptete am Montag, ohne glaubwürdige Beweise, aber dennoch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, dass Israel entlang der Küstenlinie des Gazastreifens 15 Flüchtlingslager mit jeweils 25.000 Zelten errichten lassen wolle. Das ergäbe, bei einer durchschnittlichen Belegung mit fünf bis sechs Familienmitgliedern pro Zelt, Raum für die provisorische Unterbringung von mindestens 1,5 Millionen Menschen – also wirklich für alle Menschen, die gegenwärtig in Rafah »zusammengepfercht« sind, wie sogar US-Präsident Joseph Biden richtig erkannte. So viele Menschen müssen selbstverständlich wenigstens minimal versorgt werden. Das WSJ behauptete, die israelische Regierung wolle diese Aufgabe und überhaupt die Verantwortung für die geplanten »Zeltstädte« dem ägyptischen Staat aufbürden.
In einem auf den 13. Oktober vorigen Jahres datierten Memorandum aus dem für die Geheimdienste zuständigen israelischen Ministerium wird die »Umsiedlung« der gesamten Bevölkerung des Gazastreifens, das sind mindestens 2,3 Millionen Menschen, in den Norden der ägyptischen Sinaihalbinsel gefordert. Die Vertriebenen sollen zunächst in großflächigen »Zeltstädten« untergebracht werden. In unbestimmt ferner Zukunft sollen vielleicht auch Wohnhäuser gebaut werden. Um die Annäherung von »Umgesiedelten« an die israelische Grenze auszuschließen, soll auf ägyptischem Boden eine mehrere Kilometer breite »sterile Zone« geschaffen werden. Das entspricht offenbar realen israelischen Plänen, im gesamten Gazastreifen künftig eine unbewohnte Pufferzone an der Grenze zu Israel zu schaffen. Die »Sinai Foundation« behauptete am Donnerstag ohne verlässliche Quellen, dass Ägypten begonnen habe, im Grenzbereich zum Gazastreifen eine »isolierte Hochsicherheitszone« zur Aufnahme von palästinensischen Flüchtlingen zu errichten. Beweise dafür gibt es aber nicht.
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