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Aus: Ausgabe vom 16.02.2024, Seite 4 / Inland
Rechte Netzwerke

Definitiv nicht gütlich

Stadt Köln will Mitarbeiterin nach Teilnahme an rechtem Treffen in Potsdam loswerden
Von Bernhard Krebs, Köln
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Simone Baum am Mittwoch im Kölner Arbeitsgericht

Lange versteckte sich die zierliche blonde Frau in orangefarbener Jacke hinter zwei bulligen Personenschützern. Erst nach Aufruf der Sache am Mittwoch nachmittag war Schluss mit dem Versteckspiel in Saal neun des Kölner Arbeitsgerichts, wo Simone Baum, langjährige Mitarbeiterin der Stadt Köln sowie NRW-Landesvorsitzende und stellvertretende Bundesvorsitzende der ultrakonservativen »Werteunion«, sich gegen gleich mehrere ausgesprochene außerordentliche Kündigungen wehrt.

Grund soll Baums Teilnahme an einem Treffen von AfD- und einigen CDU-Mitgliedern sowie Unternehmern und anderen Vermögenden mit dem Ideologen der faschistischen »Identitären Bewegung« Österreichs, Martin Sellner, sein. In der exklusiven Runde in einem Landhaus in Potsdam Ende November 2023 soll Sellner laut dem Recherchenetzwerk Correctiv, das im Januar über das Treffen berichtete, dem gutbetuchten Publikum Pläne für die massenhafte Abschiebung von Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland vorgestellt haben.

Sellner hatte nach Bekanntwerden bestätigt, dass auf der Zusammenkunft über »Remigration« gesprochen worden sei. Für gewöhnlich meinen Faschisten mit dem Begriff, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll, wobei die Anwendung von Zwang ausdrücklich nicht ausgeschlossen wird. Laut Correctiv nannte Sellner drei Zielgruppen: Asylsuchende, Ausländer mit Bleiberecht und »nicht assimilierte Staatsbürger«, was von Deutschen mit ausländischen Wurzeln bis zu Deutschen mit anderen politischen Standpunkten jeden meinen kann.

Der anberaumte Gütetermin vor dem Arbeitsgericht war bereits nach fünf Minuten ergebnislos zu Ende. Marcus Michels, Vertreter der Stadt in dem Verfahren, stellte sogleich klar: »Gütliche Einigungsmöglichkeiten werden definitiv ausgeschlossen.« Die mit Spannung erwartete Begründung, warum genau und wie die Stadt die unkündbare Baum nach über 20jähriger Tätigkeit im Amt für Umwelt und Naturschutz loswerden will, blieb Michels schuldig. Er habe das Mandat erst kürzlich übernommen und sei noch nicht tief genug drin in der Materie.

Die Personalräte seien jedoch angehört worden: »Ich glaube, formal werden wir da nicht straucheln«, zeigte sich Michels überzeugt. Ende Mai wird es in der Sache nun zu einem Kammertermin kommen. Rainer These, Baums Anwalt in dem Verfahren, sagte nach der Verhandlung gegenüber Journalisten, er halte die Kündigung unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt für begründet. Er nutzte die Gelegenheit zudem zum Rundumschlag gegen die Berichterstattung über das »mysteriöse Geheimtreffen«, die er »für erstunken und erlogen« halte — »das dürfen Sie sogar schreiben«.

These unkte weiter, die Stadt kenne die Begründung für die Kündigung seiner Mandantin wohl selbst noch nicht. Üblicherweise seien schon im Kündigungsschreiben Gründe wenigstens angedeutet, so These. Baum hatte den Worten ihres Anwalts nichts hinzuzufügen. Bevor sie mit ihren Bodyguards das Gericht wieder verließ, verwies sie auf eine Webseite, die von Teilnehmern der Veranstaltung erstellt wurde und wo in bezug auf die Berichterstattung vom »Märchen von Potsdam« die Rede ist. Auf der Webseite finden sich Stellungnahmen einiger Teilnehmer, etwa von Veranstalter Gernot Möring, der AfD-Bundestagsabgeordneten Gerrit Huy sowie von dem Juristen und Privatdozenten an der Kölner Universität, Ulrich Vosgerau, der wie Baum CDU-Mitglied ist. Eine Wortmeldung von Baum fehlt dort.

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