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Aus: Ausgabe vom 14.02.2024, Seite 11 / Feuilleton
Pop

Ohne Strom geht nichts

OMD live im Berliner Tempodrom
Von Michael Sommer
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Elektrisch geladen: OMD-Sänger und -Gitarrist Andy McCluskey

Es ist so eine Sache mit Orchestral Manoeuvres in the Dark (OMD). Einerseits schreiben sie recht präzise Texte über gesellschaftlich relevante Themen und verstehen es, diese Inhalte in ebenso präzise Songs und Visuals zu übersetzen. Sie beschäftigen sich auf eine zugegeben linksliberale Weise mit Überbevölkerung, Umweltschutz, Ressourcenverbrauch – zum Beispiel im Song »Anthropocene« –, oder fragen im Song »Kleptocracy«, wie es um die Demokratie bestellt ist. Andererseits haben sie einen Hang zu süßlichen Melodien. Beides war am Montag abend im ausverkauften Berliner Tempodrom zu besichtigen. Es muss also im Publikum Fans beider OMD-Gesichter gegeben haben, denn die Stimmung war durchweg aufgekratzt.

Enthusiastisch geht Sänger Andy McCluskey das Konzert an, redet deutsch mit dem Publikum (»Hände!«) und fuchtelt mit den Armen, als wären sie etwas, das er gerne loswerden würde. Greift aber auch häufiger zum E-Bass, der einzigen Gitarre, die im Laufe des Abends auf der Bühne zu sehen sein wird. Paul Humphreys und ein weiterer Keyboarder stehen derweil hinter ihren Synthesizer-Workstations, in der Mitte ein Liveschlagzeug.

So alt OMD mittlerweile sind – McCluskey und Humphreys gründeten das Duo 1978 –, so sind sie doch auch Erben: Zum Song »Veruschka« stellen sich die vier Musiker in einer Linie am Bühnenrand auf, einheitlich in Schwarz gekleidet, zwei minimale Synths, ein Schlagzeug-Pad. Es ist eine doppelte Hommage – an das Model Veruschka von Lehndorff und an die Überväter der Gattung Synthband, Kraftwerk. Mit riesigen Augen schaut ein CGI-Image von Lehndorffs von den LED-Screens und scheint zu fragen: Warum bin ich hier? Es sind solche Momente, in denen sich das Schwülstige der OMD-Melodien in der Macht der Bilder auflöst.

OMD spielen sich quer durch ihren Katalog. Unerhört bleibt die Hoffnung, dass »Joan of Arc« nicht erklingen möge – so »cheesy« der Leadsound! Auch »Enola Gay«, der Song, mit dem das Duo das Kunststück fertiggebracht hat, über eines der abscheulichsten Verbrechen der Menschheit einen der eingängigsten Popsongs zu schreiben, muss über die Rampe. Die Älteren – und das ist das Publikum an diesem Abend – werden sich an die Atomangst in den 80er Jahren erinnern und feiern den Song gerade deshalb um so härter.

Mit ihrer ersten Single »Electricity« beenden sie den Abend und wissen so inhaltlich eine Klammer zu setzen zum Anfang des Sets. Ohne Strom läuft nichts – am wenigsten ein OMD-Konzert. Irgendwie sind wir alle drauf, Anthropozän hin oder her.

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