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Aus: Ausgabe vom 14.02.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Arbeitskämpfe in Großbritannien

Neue Streikwelle bei Amazon UK

Anderthalb Jahre nach ihrem ersten Streik legen die Beschäftigten des Logistikzentrums in Coventry erneut die Arbeit nieder
Von Dieter Reinisch
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Der bisher größte Ausstand bei Amazon UK: Rund 1.000 Beschäftigte des Logistikzentrums in Coventry legten am »Black Friday«, dem 24. November 2023, die Arbeit nieder

Dort, wo vor mehr als einem Jahr der erste Streik bei Amazon in Großbritannien begann, geht der Kampf weiter. Am Dienstag legten die Beschäftigten des Onlineriesen im wichtigen Versandzentrum Coventry in den britischen Midlands erneut für drei Tage die Arbeit nieder. Hunderte von ihnen versammelten sich am Morgen zu Schichtbeginn vor dem Eingang des Logistikzentrums, um sich dem Ausstand anzuschließen. Ein Mitglied der Gewerkschaft GMB sagte dem lokalen Radiosender Free Radio News: »Es geht um Löhne, aber vor allem wollen die Leute hier, dass ihre Stimme gehört wird.«

Tatsächlich weigert sich Amazon auch nach eineinhalb Jahren Arbeitskampf, mit den Beschäftigten zu sprechen. Damals, im Sommer 2022, war es noch eine Handvoll Beschäftigte, die für eine gewerkschaftliche Anerkennung kämpfte. Inzwischen sind es laut GMB mehr als 1.000 Kollegen.

Nach Gewerkschaftsangaben soll der aktuelle Ausstand in Coventry der Beginn einer neuen Streikwelle bei Amazon UK sein, nachdem die Beschäftigten Anfang des Jahres mit überwältigender Mehrheit für eine Verlängerung des Arbeitskampfes gestimmt hatten. Konkret fordert die GMB einen Mindestlohn von 15 Pfund Sterling (17,80 Euro), die gewerkschaftliche Anerkennung und einen Inflationsausgleich.

Wie Amazon gegenüber verschiedenen britischen Medien mehrfach erklärte, wurden die Löhne regelmäßig bereits angepasst, »um sicherzustellen, dass wir wettbewerbsfähige Löhne bieten«. Bis April 2024 werde das Einstiegsgehalt je nach Standort auf 12,30 und 13 Pfund Sterling (14,50 und 15,30 Euro) pro Stunde steigen, so der Konzern. Das bedeutet eine Erhöhung um 20 Prozent in zwei Jahren und um 50 Prozent seit 2018.

Die Ankündigungen überzeugten die Beschäftigten nicht. Eineinhalb Jahre nach Beginn der Arbeitskämpfe bei Amazon in Großbritannien kam es Ende Januar erstmals auch im neuen Warenlager in Birmingham zu Arbeitsniederlegungen. Das 500 Millionen Pfund teure Logistikzentrum wurde Ende 2023 eröffnet und beschäftigt rund 2.000 Menschen.

Birmingham war der dritte Amazon-Standort in Großbritannien, der seit Beginn der Arbeitskämpfe im August 2022 bestreikt wurde. Der Onlineriese sah sich in den vergangenen Monaten mit mehr als 30 Streiktagen konfrontiert. Höhepunkt war ein Ausstand von rund 1.000 Beschäftigten am »Black Friday« im November. Es war der bisher größte bei Amazon UK – aber das könnte sich schnell ändern, wie Amanda Gearing, Hauptorganisatorin der GMB, am Dienstag zu Beginn der Arbeitsniederlegungen in Coventry sagte: »Die Kampagne für 15 Pfund pro Stunde und Gewerkschaftsrechte bei Amazon wird von Tag zu Tag stärker.« Sie versprach, dass die Gewerkschaft einen langen Arbeitskampf plane: »Es beginnt ein monatelanges Chaos, in dem Amazon schnell die Optionen ausgehen werden.« Dies könne das Unternehmen nur verhindern, wenn es »auf unsere Mitglieder hört«, so Gearing.

Amazon hat das bisher nicht getan und versucht statt dessen, den Ausstand mit Tricks zu brechen. Die Tribune berichtete vergangene Woche, dass das Unternehmen mit verschiedenen Maßnahmen versuche, die Belegschaft zu spalten. So wurde angekündigt, dass es an den Streiktagen Dienstag, Mittwoch und Donnerstag in der Kantine kostenloses Essen im Wert von 2,50 Pfund Sterling pro Tag geben würde. Genutzt hat es nicht: Nach Berichten vom Dienstag gab es kaum Streikbrecher.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Christel H. aus Aschersleben (14. Februar 2024 um 14:08 Uhr)
    Echt jetzt, Streikbrecher für ’n Appel und ’n Ei?

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