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Aus: Ausgabe vom 14.02.2024, Seite 4 / Inland
Repression

Faesers »Schippe drauf«

Innenministerin, Geheimdienstchef und BKA-Präsident kündigen Maßnahmen gegen rechte Netzwerke an
Von Kristian Stemmler
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Berichtete bereits Bekanntes: Nancy Faeser (SPD, M.) in der Bundespressekonferenz (Berlin, 13.2.2024)

Seit Wochen gehen Hunderttausende gegen die AfD auf die Straße. Für Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) offenbar der ausschlaggebende Grund, um am Dienstag in Berlin »aktuelle Maßnahmen gegen Rechtsextremismus« zu präsentieren. Was Faeser gemeinsam mit Thomas Haldenwang, Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, und Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), verkündete, war größtenteils eine Zusammenfassung von Schritten, die bereits eingeleitet wurden. Dem Trio ging es vermutlich eher um eine Botschaft an die Bevölkerung: Wir tun was.

Die Ministerin begann ihr Statement denn auch mit einem Lob für die Demonstrierenden: Viele seien aufgerüttelt worden, sie sähen, »dass es in diesem Jahr darum geht zu verhindern, dass Rechtsextremisten wieder Macht und Einfluss gewinnen«. Faeser warnte, die »neue Rechte« versuche derzeit, ihre »menschenverachtende Ideologie in die Mitte der Gesellschaft zu tragen«.

Die Sozialdemokratin fügte vollmundig hinzu: »Wir wollen diese rechtsextremistischen Netzwerke zerschlagen, wir wollen ihnen ihre Einnahmen entziehen und die Waffen wegnehmen.« Den Geldhahn wolle man den Rechten zudrehen, ohne jedoch das Budget des Inlandsgeheimdienstes zu schrumpfen. Um Finanzquellen rechter Netzwerke zu durchleuchten – etwa Einnahmen durch Szenekonzerte – habe das Bundesamt für Verfassungsschutz die Kapazitäten sogar deutlich ausgeweitet. Die Verschärfung des Waffenrechts sei laut Faeser ein »entscheidender Baustein zur Entwaffnung von Extremisten«. Ihr Ministerium habe dazu vor einem Jahr bereits eine Reform des Waffenrechts vorgelegt.

Mit dem im März 2022 vorgestellten »Aktionsplan gegen Rechtsextremismus« habe man »auf vielen Feldern« bereits Fortschritte erreicht. Jetzt gelte es, »überall noch eine Schippe draufzulegen«, sagte Faeser. 13 Maßnahmen listet ihr Ministerium online auf. Faeser plädierte für eine konsequente Umsetzung der Reform des Bundesdisziplinarrechtes, die am 1. April in Kraft tritt. »Verfassungsfeinde« könnten dann schneller aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden. »Extremisten« hätten dort »nichts zu suchen«. Die Formulierung lässt erahnen, dass diese Reform sich schnell auch gegen Linke wenden kann – so wie andere Maßnahmen des Pakets.

Faeser sprach sich ferner dafür aus, die zentralen Regelungen zur Organisation und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts in das Grundgesetz aufzunehmen, da die Justiz zu den Zielen rechter Kräfte gehöre. »Rechtsextremistische Netzwerke« wolle sie genauso behandeln wie Gruppierungen der organisierten Kriminalität. »Diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen.« Alle Rechtsverstöße müssten geahndet werden, nicht nur von der Polizei. Ordnungsbehörden könnten Maßnahmen vor Ort gegen rechte Veranstaltungen ergreifen – etwa mit Hilfe des Gaststättenrechts. Keiner Erwähnung wert schien der Ministerin die Tatsache, dass »rechtsextremistische Netzwerke« in der jüngeren Vergangenheit stets besondere Beziehungen zum und im Staatsapparat pflegten.

Geheimdienstchef Haldenwang erklärte im Anschluss, das »rechtsextremistische Personenpotential« steige seit Jahren an, auf 38.800 Personen im Jahr 2022. Bei der »Phänomenbeschreibung« müsse aber umgedacht werden, denn hier finde gerade eine »Veränderung der Personenzusammensetzung« statt. Die Grenze zwischen bisher ideologisch festgelegten Lagern verschwömme, das erschwere »die genaue Ortung«. Die »neue Rechte« halte sich für eine selbsternannte Elite, die Deutschland vor dem »Volkstod« retten wolle: Dazu zählten Akteure der »Identitären Bewegung«, das jüngst aus Bahnhofsbuchhandlungen verbannte Compact-Magazin, die AfD-Jugend »Junge Alternative« und »erhebliche Teile der AfD selbst«.

Münch durfte schließlich erklären, die »politisch motivierte Kriminalität« von rechts habe 2020 mit 23.600 Fällen einen Höchststand erreicht. Die Zahlen von 2023, die demnächst präsentiert würden, lägen noch einmal deutlich darüber.

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