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Aus: Ausgabe vom 13.02.2024, Seite 8 / Ansichten

Verfassungsschutzanwärterin des Tages: Juliane Nagel

Von Nick Brauns
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Juliane Nagel bei einer Antifademonstration in Leipzig (31.5.2023)

Leipzig gilt als das Mekka der sogenannten Antideutschen. Deren Name täuscht. Denn der politische Hauptinhalt dieser Strömung, die nur ihrem Selbstbild nach noch als links firmieren kann, ist ganz im Sinne der deutschen Staatsräson die bedingungslose Verteidigung Israels und seines Vorgehens gegen die Palästinenser mit Parolen wie »Straßenschlacht in Ramallah – die Panzer sind die Antifa«.

Der antifaschistisch verbrämte, NATO-konforme Scheinradikalismus dieser hedonistischen Szene stößt zunehmend junge Linke ab, die sich inzwischen auch in Leipzig in kommunistischen Gruppen zusammenschließen. Als »Avantgarde von vorgestern« diffamierte die Zeitung ND – die Woche nun »autoritäre« Organisationen wie den Kommunistischen Aufbau (KA) oder Young Struggle – verbunden mit dem obligatorischen Antisemitismusvorwurf.

Als Kronzeugin gegen die Marxisten-Leninisten wird die Linke-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel – Schutzpatronin der im Stadtteil Connewitz ansässigen »antideutschen« Szene – angeführt. Diese Gruppen wollten eine kommunistische Partei aufbauen, sie agierten intransparent, versuchten Themen zu übernehmen, etwa im Zuge von Mieterprotesten, warnt Nagel. Es sei – oh Graus – ein »Revival von Klassenkampfmotiven« zu erkennen. Das KA-Geflecht muss transparenter gemacht werden, wird die Politikerin in einer Langfassung des ND-Artikels im Kreuzer Leipzig zitiert. Es müsse allen bewusst werden, dass da Führungsfiguren agieren und es sich teilweise um »Tarngruppen« handle, bei denen der KA-Hintergrund unsichtbar sei.

Das klingt ganz wie ein Bewerbungsschreiben Nagels, die bereits 2021 forderte, »tradierten Antiimperialismus« einer »Generalkritik« zu unterziehen und linke Friedenspolitik von DDR-Traditionen zu verabschieden, beim Inlandsgeheimdienst »Verfassungsschutz«.

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  • Leserbrief von Dave Schmidtke aus Dresden (14. Februar 2024 um 17:12 Uhr)
    Seit Jahren nervt mich dieses elitäre Sektierertum, dass linke Bewegungen immer wieder schwächt, anstatt konstruktive Debatten zu führen. Ebenso nerven mich Geschichtsrevisionisten, die mit »Hammer und Sichel-Rhetorik« eine Minderheit kommunistischer Dinos und paar verirrte Jugendliche begeistern, die nie in der Sowjetunion leben mussten. Im letzten Jahrhundert klebende Ansätze, die in der eigenen Blase Stalins Massenmorde relativieren und als Resultat Abstand zu »Den Linken« verursachen, werden als progressiv verkauft. Ziel scheint es, sich immer wieder in die Bedeutungslosigkeit zu streiten und gleichzeitig arrogante Erhabenheit zu signalisieren. Ich engagiere mich mein komplettes Leben antifaschistisch im Osten und beobachte daher natürlich auch seit Jahren das Wirken von Jule Nagel. Als Landtagsabgeordnete kassiert sie seit Jahren von Medien, Politik und Neonazis derart viel Schelte, weil sie sich öffentlich als ein Gesicht des Antifaschismus präsentiert. Sie stellt sich laut vor Geflüchtete (und Minderheiten insgesamt), prekär Beschäftigte/Arbeitslose oder andere im Kapitalismus Ausgegrenzte. Anstatt sie mit Aussagen zu konfrontieren und einen Dialog zu suchen, wird sie öffentlich als »Verfassungsschutzanwärterin« denunziert, obwohl gerade sie staatliche Verfolgung von linken Aktivist*innen öffentlichkeitswirksam kritisiert. Nick Brauns dagegen hab ich hier noch nie wahrgenommen. Daher besitzen seine Worte für mich ebenso wenig Gewicht wie Wirkungskraft. Nur ein weiterer offensiver Vorstoß, der mit dem Irrglauben an die Pachtung zur einzigen Wahrheit, ins politische Abseits führt. Derartig stumpfe Denunzierung unter Genoss*innen, die nicht im Ansatz deren komplettes Spektrum an politischen Einstellungen wiedergibt, ist traurig, billig und spielt allen in die Hände, die sich über linke Bewegungen lustig machen. Chapeau, für diesen Schuss ins eigene Knie! Genervte Grüße Dave Schmidtke aus Dresden
  • Leserbrief von Winfried Schmidt aus Leipzig (13. Februar 2024 um 12:34 Uhr)
    Jutta Ditfurth schrieb seinerzeit über Fischer, Cohn-Bendit und Co: »Sie machen […], was sie immer gemacht haben: Fuß reinkriegen, übernehmen, kaputtmachen!«
    • Leserbrief von Jens Siebers aus Essen (13. Februar 2024 um 16:30 Uhr)
      Und nun gehört Jutta Ditfurth selbst zu den Antideutschen, wie schon seit vielen Jahren. Das ist die Rechtsentwicklung in sämtlichen bürgerlichen Parteien, einschließlich Die Linke. Antideutsch heißt doch nach links blinken und rechts abbiegen. Wenn den Antideutschen die Menschen abhanden gehen oder viele keine Attraktivität darin sehen, sich dort zu engagieren, dann wird mit dem sonstigen Feind zusammengearbeitet.
      • Leserbrief von Onlineabonnent/in Marcus B. (13. Februar 2024 um 17:17 Uhr)
        Antideutsch ist ja auch nicht gleich antideutsch. Auf einige Vertreter mag dieses Urteil ja zutreffen; zu Ditfurth will ich mir kein Urteil anmaßen. So recht will mir aber nicht einleuchten, wie antideutsch mit rechts gleichsetzbar sein soll. Den Grundgedanken, die Ablehnung des chauvinistischen Deutschtums, teile ich durchaus – ums mit Rammstein zu sagen: »übermächtig, überflüssig, Übermenschen überdrüssig«.
      • Leserbrief von Winfried Schmidt aus Leipzig (13. Februar 2024 um 17:08 Uhr)
        Ja. Da haben Sie Recht. Wolfgang Pohrts Antideutschismus war wenigstens noch amüsant und originell. Die gegenwärtigen Personalien sind einfach nur tumb und irgendwie auch blöde … oder bereits kompromittiert.

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