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Aus: Ausgabe vom 12.02.2024, Seite 16 / Sport

Gegen den Anti

Von René Hamann
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Beim Tischtennis arbeitet das Halbbewusste bis Unbewusste gut mit

Tischtennis ist Mathe in Hochgeschwindigkeit. Diesen Satz bekommt man in den einschlägigen Foren häufiger zu lesen. Leider stimmt er auch. Ich mag am Sport, dass ich erst einmal wenig denken muss, sondern dass ich abschalten, mein Hirn leerlaufen lassen kann. Beim Schwimmen oder Joggen funktioniert das hervorragend, beim Fußball schaltet sich der Instinkt dazu, beim Tischtennis arbeitet das Halbbewusste bis Unbewusste gut mit. Automatisierte Abläufe, eintrainierte Abfolgen. Normalerweise reicht das, es sei denn, man spielt zum Beispiel als Normalbelegter gegen jemanden mit Noppe, oder, fast genauso schlimm, mit Anti.

Anti? Anti. Anti nennt man Belege, die glatt sind wie eine Eisfläche. Lässt man seine alten Beläge jahrzehntelang im Schrank, verwandeln sie sich irgendwann in Antis (es gibt sie aber auch neu zu kaufen). Antis haben keine Griffigkeit, keinen Spin, kein nichts. Antis sind gut darin, Schnitt und Topspin zu eliminieren: Die Rotation ist raus, der Ball dreht durch. Aber nicht nur der Ball, sondern oft auch der Gegner.

Hier kommt man mit Unterschnitt oder mit Topspin nicht weit. Die Bälle kommen wandartig zurück und steigen mit dem nächsten Unterschnittversuch so auf, dass der Anti auf der anderen Seite ihn abschlagen kann. Frustrierend.

Also muss man entweder mitdenken, gut aufpassen, wie der Ball zurückkommt. Welchen Schnitt er noch hat. Oder man vertraut dem Satz: Go empty, get empty. Was du gibst, bekommst du. Spiele ich leere Bälle, bekomme ich leere Bälle zurück. Das ist eigentlich schön: Man kann lange, leere Aufschläge bringen und vieles abschlagen, oft schon den Aufschlag des Gegners. Ansonsten kann man Mondbälle einstreuen, die dem Anti Probleme bereiten, ansonsten flach und schnell, dafür bitte möglichst ohne Schnitt spielen. Jagen, variabel spielen, in die Ecken, vor und zurück.

Klingt gar nicht so schwer, erfordert aber ein gewisses Mitdenken. Mir ist das neulich nicht so gelungen. Gut, ich war leicht gehandicapt, weil ich eine Virusinfektion ausbrütete, wie der weitere Verlauf des Abends leider offenlegte, um es mal so zu sagen. Dennoch war die Niederlage gegen den Anti unnötig, weil ich teilweise heftig schwamm und es immer wieder mit Schnitt und Schupfbällen probierte, weil das mein normales Spiel ist.

Ich hoffe, es war mir eine Warnung. Tröstlich ist, dass da draußen gar nicht so viele Antis herumlaufen. Außer zerstören können die meist nämlich nicht so viel.

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