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Aus: Ausgabe vom 12.02.2024, Seite 2 / Ausland
Antifaschismus

Sie marschieren wieder

Ungarn: Antifaschistischer Protest gegen »Tag der Ehre«-Aufmarsch
Von Lou Brenner
Verschiedene Banner, ein Block: Demonstranten ziehen durch Budapest (10.2.2024)
Gemeinsam gegen die Faschisten: Teilnehmende des Protestzuges in Budapest (10.2.2024)
Weckt Erinnerungen: Hundestaffel der Polizei in Budapest (10.2.2024)
Bleibt notwendig: Antifaschisten protestieren in Budapest (10.2.2024)

Hunderte Neonazis haben sich am Wochenende in Budapest versammelt, um zum »Tag der Ehre« gefallener Wehrmachts-Soldaten und ungarischer Kollaborateure zu »gedenken«. Der Aufmarsch findet seit 1997 statt und wird von der paramilitärischen Gruppe »Légió Hungária« sowie dem ungarischen Ableger des faschistischen Netzwerks »Blood and Honour« organisiert. Der »Gedenktag« gilt mittlerweile als eines der größten Neonazitreffen Europas. In der Nacht zum 12. Februar 1945 hatten rund 17.000 Soldaten der Wehrmacht und der Waffen-SS versucht, aus der von der Roten Armee umstellten ungarischen Hauptstadt zu fliehen. Einigen Hundert war dies damals gelungen. Neben der Kundgebung in der Innenstadt wandern die Neonazis auch die Route durch die Wälder nach, über die die Soldaten damals geflohen sind.

Unter der Parole »Stoppt die Verherrlichung der Nazis« stellten sich auch in diesem Jahr ungarische Antifaschisten und solidarische Gruppen aus acht europäischen Ländern dem entgegen. Ein Bus mit Aktivisten aus Deutschland wurde von der Polizei zunächst durchsucht, konnte dann jedoch zu den Protesten weiterfahren. »Die Verherrlichung der Nazis ist ein allgemeines europäisches Phänomen«, hatte ein Sprecher der Budapester Antifaschisten, die die Gegenproteste organisieren, vorab gegenüber junge Welt erklärt. »Doch in Ungarn ist sie Teil der staatlichen Erinnerungspolitik.« In den dortigen Medien würden die ungarischen Kollaborateure von damals als »Helden« glorifiziert und die rechtsnationalistische Orbán-Regierung sei ein wesentlicher Teil des Problems. »Die Nazigruppen sind die ideologischen Stützen der Regierung«, sagte der Sprecher.

Zwar gab es am Sonnabend von seiten der Faschisten immer wieder Provokationen, doch zu »physischer Gewalt« zwischen Neonazis und Antifaschisten ist es am Wochenende nicht gekommen, wie das linke ungarische Nachrichtenportal Mérce am Abend nach dem Aufmarsch schrieb. Zum »Tag der Ehre« 2023 waren von deutschen und italienischen Antifaschisten mutmaßlich Angriffe auf ungarische Neonazis ausgegangen, wegen der mehrere Nazigegner in Ungarn vor Gericht stehen oder noch gestellt werden sollen.

Die Regierung habe alles daran gesetzt, »den Antifaschismus zu diskreditieren«, heißt es bei Mérce weiter. Die staatlichen Repressionen gegen linke Aktivisten hätten danach zugenommen, während Aktivitäten der extremen Rechten gar aus Steuergeldern subventioniert würden. Demnach habe etwa der ungarische Tourismusverein, der zum »Tag der Ehre« zu »Gedenktouren« aufruft, staatliche Unterstützung in Höhe von 70 Millionen Forint (rund 181.000 Euro) erhalten.

Die ungarischen Antifaschisten betonen die internationalistische Dimension ihres Kampfes. »Nicht nur die ungarische Rechte und die extreme Rechte versuchen, die Geschichte zu verfälschen«, zitiert Mérce einen der Organisatoren. Auch in anderen europäischen Städten finden jährliche Treffen von Neonazis statt. Das Bündnis »Stoppt die Verherrlichung der Nazis« sei Teil eines internationalen Netzwerks antifaschistischer Gruppen.

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