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Aus: Ausgabe vom 10.02.2024, Seite 7 / Ausland
Gazakrieg

Rafah droht Blutbad

Netanjahu lässt Offensive vorbereiten. UN-Generalsekretär alarmiert
Von Gerrit Hoekman
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Keine Schutzzone für Kriegsvertriebene in ganz Gaza: Auch in Rafah bleibt nur Zerstörung (9.2.2024)

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat der israelischen Armee am Freitag den Befehl erteilt, die Offensive auf Rafah im Süden des Gazastreifens vorzubereiten. Der Plan beinhaltet eine Evakuierung der dortigen Vertriebenen.

Schon in der Nacht auf Freitag hatte die israelische Luftwaffe ein Wohnhaus in Rafah angegriffen. Dabei sind nach Angaben des Gesundheitsministeriums von Gaza acht Menschen ums Leben gekommen; die Hälfte der Opfer seien Frauen und Kinder. Angesichts der häufiger werdenden Luftangriffe und der möglicherweise bald bevorstehenden Bodenoffensive der israelischen Armee mache sich in der mit laut Reuters 1,5 Millionen Binnenflüchtlingen völlig überfüllten Stadt an der ägyptischen Grenze Panik breit, berichtete Al-Dschasira am Freitag live aus Rafah. Bereits am Donnerstag hatten israelische Flugzeuge und Panzer die Stadt unter Feuer genommen.

Israel hatte die Menschen in den vergangenen Wochen aufgefordert, vor den Kämpfen in anderen Teilen des Gazastreifens im vermeintlich sicheren Rafah Schutz zu suchen. »Die Hälfte der Bevölkerung Gazas ist jetzt in Rafah zusammengepfercht. Sie können nirgendwo hingehen. Sie haben kein Zuhause und sie haben keine Hoffnung. Berichte, wonach das israelische Militär als nächstes Rafah angreifen will, finde ich alarmierend«, sagte UN-Generalsekretär António Guterres am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in New York. »Die Menschen leben in überfüllten Notunterkünften unter unhygienischen Bedingungen ohne Strom, fließendes Wasser und ausreichende Versorgung mit Nahrungsmitteln«, so Guterres weiter. Eine Bodenoffensive würde den »humanitären Albtraum« noch weiter verschärfen und könne ungeahnte Konsequenzen für die gesamte Region haben.

»Wir stehen mit dem Rücken zum Grenzzaun und blicken in Richtung Mittelmeer«, sagte ein Vater von sechs Kindern der Nachrichtenagentur Reuters. »Wohin sollen wir gehen?« Der Gazastreifen ist größtenteils eine Trümmerwüste. Leben ist dort kaum noch möglich. Rafah gehört zu den wenigen Plätzen, die Israel noch nicht komplett in Schutt und Asche gelegt hat. »In einem riesigen Flüchtlingslager darf kein Krieg zugelassen werden«, zitierte Reuters am Freitag Jan Egeland, den Generalsekretär des Norwegische Flüchtlingshilfe (NRC). Sollte die israelische Armee in Rafah eindringen, drohe ein »Blutbad«.

In Khan Junis, der zweitgrößten Stadt im Gazastreifen, sollen israelische Scharfschützen am Freitag mindestens 21 Menschen erschossen haben, die den Nasser Medical Complex – das größte Hospital vor Ort – erreichen wollten. »Das Gebiet um das Krankenhaus ist sehr gefährlich und hat sich in eine Kampfzone verwandelt«, berichtete ein Reporter des katarischen TV-Senders Al-Dschasira am Freitag. Israelische Soldaten hätten das Klinikum umzingelt und würden »jedes sich bewegende Objekt« ins Visier nehmen – auch Ärzte und medizinisches Pflegepersonal. Das Spital soll der einzige Ort in Khan Junis sein, an dem noch größere Wassermengen lagern.

Ägypten fürchtet, Israel beabsichtige, den in Rafah zusammengepferchten Menschen keine andere Wahl zu lassen, als über die Grenze auf die ägyptische Sinaihalbinsel zu fliehen. Die rechtsradikalen Minister in der Regierung Netanjahu haben diesen Plan schon lange. Sie träumen von einer ethnischen Säuberung. Ägypten lehnt eine solche »Lösung« entschieden ab. Kairo fürchtet wohl zu Recht, Israel werde den nach Ägypten geflohenen Palästinensern nie wieder die Rückkehr in den Gazastreifen erlauben.

Die USA äußerten sich ob der Bodenoffensive in Rafah zurückhaltend. »Wir glauben, dass eine Militäroperation zum jetzigen Zeitpunkt eine Katastrophe für diese Menschen wäre«, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Donnerstag. »Wir würden das nicht unterstützen.« Dass die USA Israel Einhalt gebieten, ist jedoch nicht zu erwarten.

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