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Aus: Ausgabe vom 10.02.2024, Seite 6 / Ausland
Bürgerkrieg im Sudan

Stiefkind der Weltöffentlichkeit

Sudan: Bürgerkrieg stürzt Bevölkerung in humanitäre Katastrophe
Von Saskia Jaschek
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Flucht aus dem Kriegsgebiet: Eine Sudanesin sucht mit Hab und Gut Schutz im Nachbarland Tschad (Adré, 2.8.2023)

Bereits seit zehn Monaten wütet der Krieg im Sudan zwischen dem Militär (SAF) unter der Leitung von Abdel Fattah Al-Burhan und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF), die Mohammed Hamdan Daglo, genannt »Hemeti«, folgen.

In dem Konflikt wurden der Nichtregierungsorganisation ACLED zufolge bereits mindestens 13.000 Menschen getötet. Aufgrund der starken Einschränkungen der Echtzeitberichterstattung dürften diese Zahlen jedoch kaum stimmen. Über den Konflikt wird wenig berichtet, viele Gebiete sind aufgrund der schweren Kämpfe unzugänglich für Medien oder humanitäre Hilfe. Anfang Februar waren Internet und Telefon nahezu landesweit gekappt. Millionen von Menschen bangten knapp drei Tage lang um ihre nicht erreichbaren Angehörigen und Freunde. In vielen Regionen ist das Internet noch immer weitgehend abgeschaltet. Die Ungewissheit bringt die Menschen zur Verzweiflung. In den sozialen Netzwerken suchen sie nach vermissten Familienangehörigen, lebensnotwendigen Medikamenten oder Fluchtmöglichkeiten. Außerdem haben viele Angst, dass ein Massaker bevorsteht, denn schon in der Vergangenheit wurde das Internet vor einer solchen Tat abgestellt.

Bleiben ist zunehmend unmöglich. Laut UN-Angaben wurden bisher über 7,9 Millionen Menschen gewaltsam vertrieben. Dies macht Sudan zur größten Vertriebenenkatastrophe weltweit. Es ist davon auszugehen, dass bereits Tausende an den indirekten Kriegsfolgen gestorben sind. So gibt es beispielsweise über 10.000 dokumentierte Cholerafälle und bisher knapp 300 Tote infolge der Krankheit. Auch in den nicht umkämpften Gebieten fehlt es an Medikamenten aller Art. Die Menschen sterben an Malaria, Diabetes oder anderen behandelbaren Krankheiten.

Fast 25 Millionen Menschen – mehr als die Hälfte der Bevölkerung – sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Seit Wochen warnen Experten vor einer Hungersnot – weitgehend ohne Gehör zu finden. Vor einer Woche berichtete das UN-Welternährungsprogramm von Menschen, die bereits an Hunger sterben. Laut »Ärzte ohne Grenzen« stirbt in dem Geflüchtetenlager Zamzam in Norddarfur alle zwei Stunden ein Kind an den Folgen von Unterernährung. Die Menschen zeigen große Solidarität mit Betroffenen anderer Kriegsgebiete, sind jedoch frustriert, dass sie offenbar im Stich gelassen werden. »Die ganze Welt redet über Gaza. Was ist mit uns? Die sudanesischen Menschen werden einfach vergessen. Niemand interessiert sich für uns«, so eine geflüchtete Frau im Gespräch mit jW.

Die Zurückhaltung diplomatischer Bestrebungen, insbesondere vom Westen, ist groß. So war Bundesaußenministerin Annalena Baerbock etwa Anfang Februar nach Ostafrika gereist, um dort mit Staatsvertretern über ein mögliches Ende des Krieges zu sprechen. Was genau Inhalt oder Ergebnis dieser Gespräche war, ist bis heute nicht bekannt. Dabei sind diplomatische Interventionen dringend nötig. Was als Krieg zwischen zwei Generälen begonnen hatte, hat sich längst in einen Bürgerkrieg mit multiplen Akteuren verwandelt. Aus Angst vor Übergriffen militarisiert sich die Zivilbevölkerung. Dies weitet nicht nur die Gräben zwischen den Unterstützern der RSF und denen der SAF. Deren Verbrechen gegen die Menschheit reichen von Raub, Vergewaltigung und Verhaftung von Zivilisten bis hin zur völligen Zerstörung der Infrastruktur und zu »ethnischen Säuberungen«. Dabei wird der Konflikt zunehmend ethnisiert. Alte Identitätspolitiken werden neu entflammt und schüren Hass zwischen den verschiedenen Gruppen. Das gefährdet die Sozialstruktur: Menschen aller Sozial- und Altersklassen – auch Minderjährige – bereiten sich nun auf den bewaffneten Kampf vor.

Im politischen Krieg hatte zuletzt Daglo die Nase vorn. Anfang des Jahres reiste er durch sechs afrikanische Länder und traf dort führende Politiker sowie Vertreter der Intergovernmental Authority on Development (IGAD). Die regionale zwischenstaatliche Entwicklungsbehörde Nordostafrikas lud ihn kurz darauf ganz offiziell zu einem Gipfel ein. Das erzürnte De-facto-Staatschef Al-Burhan, und das sudanesische Außenministerium erklärte kurzerhand den Austritt aus der Wirtschaftsgemeinschaft. Aktionen wie diese rücken ein dringend benötigtes Kriegsende in weite Ferne.

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