4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 10.02.2024, Seite 4 / Inland
Angriff auf Linkspartei

Plötzlich erfolgreich

Anschlag auf »Linkes Zentrum« in Oberhausen 2022: Polizei nimmt Verdächtige nach Razzia fest. Rechter Hintergrund wahrscheinlich
Von Henning von Stoltzenberg
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Einen politischen Hintergrund wollte die Staatsanwaltschaft nicht bestätigen (Oberhausen, 5.7.2022)

In die Ermittlungen rund um den Sprengstoffanschlag auf das »Linke Zentrum« in Oberhausen im Juli 2022 kommt unerwartet Bewegung. Die Essener Polizei hat am Dienstag morgen zwei Tatverdächtige in Oberhausen festgenommen, wie die WAZ am Mittwoch abend berichtete. Eine 32jährige Frau und ein 49jährige Mann sitzen demnach in Untersuchungshaft. Am Dienstag morgen fand in der Bergmannstraße in Oberhausen, nur wenige hundert Meter vom Tatort an der Elsässer Straße entfernt, eine mehrstündige Hausdurchsuchung statt, bei der die Tatverdächtigen aufgriffen wurden. Da die Polizei Oberhausen von Beginn an von einer politisch motivierten Straftat ausgegangen war, hatte in diesem Fall die Zuständigkeit bei der Staatsschutzabteilung der Essener Kriminalpolizei gelegen. Nach bislang unbestätigten Informationen der WAZ sei der neofaschistische Hintergrund des Anschlages bestätigt, Verbindungen zur Reichsbürgerszene würden geprüft.

»Für uns bestätigt sich damit, was wir ohnehin immer gesagt haben: Die Täter kommen aus der rechten Szene und haben versucht, unsere sozialistische Weltanschauung anzugreifen und unsere Politik zu verhindern«, erklärte Yusuf Karaçelik, Fraktionsvorsitzender der Linken Liste, am Donnerstag im Gespräch mit der jW. Von den Behörden verlange man, zeitnah den aktuellen Kenntnisstand zu erfahren, so Karaçelik. Daneben halte man es für notwendig, weiter »öffentlich Flagge gegen rechts« zu zeigen. Der Vorsitzende der Linkspartei, Martin Schirdewan nannte es in einer Mitteilung vom Freitag einen »Skandal, dass die Ermittlungen damals eingestellt wurden und kein größeres Interesse an der Aufklärung bestand«. Dass fast zwei Jahre lang in der Strafverfolgung »nichts passiert« sei, zeige, wo die Prioritäten von Innenminister Herbert Reul (CDU) lägen. Dieser trage die Verantwortung für das Versagen der Behörden.

Die Essener Polizei wollte sich zu den Ermittlungen am Donnerstag nicht äußern und verwies auf die Staatsanwaltschaft Duisburg, die in dem Fall ermittelt. Die Staatsanwaltschaft bestätigte am Donnerstag gegenüber jW die Hausdurchsuchung und erklärte, weitere Informationen über einen möglichen politischen Hintergrund der Tat »weder bestätigen noch dementieren« zu wollen. Bei dem Inhalt der WAZ-Recherche handele es sich nicht um regulär erworbene Informationen. In einer Mitteilung vom Donnerstag erklärte eine Sprecherin der Behörde zudem, dass sich die neuen Hinweise auf die Tatbeteiligung der Festgenommenen durch Ermittlungen in einem anderen Verfahren ergeben hätten. Im Rahmen der Razzia hätten sich die Hinweise auf eine Tatbeteiligung beider Personen verdichtet. Neben dem Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion werden ihnen weitere, nicht näher genannte Vergehen zur Last gelegt.

Der Veranstaltungsraum der Partei Die Linke und der Ratsfraktion Die Linke Liste war in der Nacht zum 5. Juli 2022 durch einen »unkonventionellen Sprengsatz« zerstört worden. Die Ermittlungen blieben rund ein Jahr ohne nennenswerte Ergebnisse und wurden in der Folge von der Staatsanwaltschaft Duisburg eingestellt, was die Geschädigten kritisierten. Sie warfen den Behörden weitgehende Untätigkeit bei den Ermittlungen gegen die rechte Szene vor, in der sie die Täter vermuteten. Leitende Ermittler hatten nach dem Anschlag erklärt, »in alle Richtungen« zu ermitteln. Der Anschlag sorgte 2022 bundesweit für Aufsehen. Durch die Wucht der Detonation kam es auch zu größeren Schäden an einem Reisebüro und einem Friseurgeschäft auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Menschen kamen glücklicherweise nicht zu Schaden. Ein großer Teil der Stadtgesellschaft und zahlreiche Initiativen bundesweit solidarisierten sich mit den Betroffenen. In den Wochen vor dem Anschlag war es zu rechten Aufmärschen im Umfeld des »Linken Zentrums« gekommen, die Linkspartei hatte Gegendemonstrationen organisiert.

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