4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 09.02.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
PCK Schwedt

Rosneft will sich wehren

Schwedt: Regierung will angeblich russischen Mehrheitsaktionär der PCK-Raffinerie enteignen. Der Konzern will das nicht akzeptieren
Von Knut Mellenthin
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Von wegen: Aus der zu DDR-Zeiten errichteten Pipeline gelangt schon lange kein Öl mehr nach Schwedt

Der russische Energiekonzern Rosneft will sich mit allen juristischen Mitteln gegen seine Enteignung im brandenburgischen Schwedt wehren. Das teilte am Donnerstag nach Bekanntwerden angeblicher Pläne der Bundesregierung das für den Eigner der Aktienmehrheit an der PCK-Raffinerie arbeitende Anwaltsbüro Malmendier Legal in einer Presseerklärung mit. Das Wirtschaftsministerium habe das Unternehmen am Dienstag informiert, dass seine Enteignung auf Grundlage des Energiesicherungsgesetzes in der nach dem russischen Angriff auf die Ukraine 2022 maßgeschneiderten Neufassung »in Erwägung gezogen« werde, heißt es in der Stellungnahme der Berliner Kanzlei.

Das Ministerium begründet seine Überlegungen damit, dass die im September 2022 als Strafmaßnahme gegen Russland angeordnete Treuhandverwaltung des Tochterunternehmens Rosneft Deutschland, die alle sechs Monate erneuert werden muss, auf Dauer nicht ausreichend sei, »weil Vertragspartner eine Zusammenarbeit mit Russland ablehnen würden«. Konkret gemeint ist der polnische Staat. Seit PCK in Schwedt auf Weisung der Bundesregierung kein russisches Erdöl mehr verarbeiten darf, ist die Raffinerie unter anderem auf Lieferungen angewiesen, die über den polnischen Hafen Gdansk kommen. Das Anwaltsbüro Malmendier Legal warnt in diesem Zusammenhang in seiner Presseerklärung: »Eine solche Enteignung würde eine Maßnahme darstellen, die in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland beispiellos bliebe und auf immer der Investitionssicherheit schaden würde.«

Nicht nur deshalb ist die Bundesregierung bisher vor einem Enteignungsverfahren zurückgeschreckt, sondern auch, weil Moskau mit Gegenmaßnahmen auf gleicher Ebene gegen Beteiligungen und Filialen deutscher Unternehmen in Russland reagieren könnte. Es sind keine geänderten Umstände bekannt, durch die diese Bedenken jetzt plötzlich gegenstandslos geworden sein könnten oder die ein solches Vorgehen jetzt unerwartet dringlich machen würden.

Dass nun dennoch eine Enteignung in Betracht gezogen werde, hatte erstmals die Webseite Business Insider am Donnerstag vor einer Woche behauptet und sich dabei ohne nähere Angaben auf »regierungsinterne« Informationen bezogen. Die Bundesnetzagentur als zuständiges Aufsichtsorgan habe sich gegenüber dem Wirtschaftsministerium in jüngster Zeit mehrfach gegen eine Fortsetzung der Treuhandverwaltung ausgesprochen und mit »juristischen Risiken« argumentiert. Die nächste Entscheidung über eine Verlängerung wäre im März fällig, nach vorherrschenden Darstellungen am 10. des Monats.

Regierungssprecher Dmitri Peskow drohte am Donnerstag mit russischen Vergeltungsmaßnahmen, falls das Bundeswirtschaftsministerium wirklich ein Enteignungsverfahren einleiten sollte. Ein solcher Schritt würde »die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen der europäischen Staaten untergraben« und die Attraktivität der Länder, die solche Entscheidungen treffen, »absolut entwerten«. »Wir schließen nichts aus, um unsere Interessen zu schützen.« Zwischen Deutschland und Russland gebe es derzeit keine Kommunikationskanäle, sagte Peskow weiter. Deshalb werde Rosneft seine Interessen einstweilen selbstständig verteidigen.

Rosneft Deutschland hält mit rund 54 Prozent die Aktienmehrheit an der PCK-Raffinerie. Weitere Teilhaber sind der internationale Shell-Konzern mit 37,5 Prozent und die halbstaatliche italienische ENI mit 8,33 Prozent. Am 20. November vergangenen Jahres hatte Shell den Verkauf seines Anteils an die britische Prax-Gruppe gemeldet. Allerdings kann dieses Geschäft erst nach Zustimmung der Bundesregierung rechtsgültig vollzogen werden. Diese Entscheidung ist noch nicht offiziell gefallen. Wer die Rosneft-Mehrheitsbeteiligung kaufen würde, falls es wirklich zu einer Enteignung käme, ist bisher nicht bekannt. In der Vergangenheit hatte der überwiegend im Staatsbesitz befindliche polnische Energiekonzern Orlen Kaufinteresse bekundet.

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