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Aus: Ausgabe vom 09.02.2024, Seite 8 / Inland
Gründung der Roten Hilfe 1924

»Viele bezahlten ihren Widerstand mit ihrem Leben«

100 Jahre Rote Hilfe in Deutschland: Vom Kampf gegen Faschismus bis zur Neugründung in der BRD. Ein Gespräch mit Celine Fercher
Interview: Hendrik Pachinger
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Rat und Tat: Publikationen der Roten Hilfe e. V.

Die Rote Hilfe als Schutz- und Solidaritätsorganisation für staatlich verfolgte und inhaftierte Aktivisten aus der Arbeiterbewegung und der Linken kann auf eine hundertjährige Geschichte zurückblicken. Wie fing ihre Arbeit im Jahr 1924 in Deutschland an?

Der damals gegründeten Roten Hilfe Deutschlands, RHD abgekürzt, standen turbulente Zeiten ins Haus. Der Aufstieg des Faschismus, weißer Terror in Europa, die globale Wirtschaftskrise und sogar ein zeitweiliges Verbot durch den preußischen Innenminister erschwerten den Aufbau und die Arbeit. Dennoch wuchs die Organisation innerhalb weniger Jahre auf über eine Million Mitglieder. Verschiedene internationale Kampagnen oder auch Projekte strahlten bis weit ins bürgerliche Lager, und die RHD wurde von zahlreichen namhaften Persönlichkeiten wie Albert Einstein, den Brüdern Mann, Käthe Kollwitz und vielen weiteren unterstützt.

Unmittelbar nach dem Reichstagsbrand 1933 wurden Anwälte der RHD wie Hans Litten von den Nazis verhaftet, gefoltert und in Konzentrationslager gesperrt.

Viele Aktive bezahlten ihren Widerstand gegen den deutschen Faschismus mit ihrem Leben. Dennoch sind noch bis mindestens 1938 lokale Zellen nachweisbar, die beispielsweise Unterstützung für Angehörige von KZ-Insassen organisierten.

Wie lange dauerte es, bis nach dem Sieg über den deutschen Faschismus 1945 wieder eine Rote Hilfe aufgebaut werden konnte?

Erst im Zuge der sogenannten 68er-Revolution kam wieder Interesse daran auf, und es gründeten sich in der BRD sehr unterschiedlich ausgerichtete Rote-Hilfe-Strukturen. Die meisten bestanden nur wenige Jahre, mit Ausnahme der Roten Hilfe Deutschlands. Aus ihr entstand 1986 die heutige Rote Hilfe als eingetragener Verein. Seitdem ist die Organisation kontinuierlich gewachsen und wird eher dem Anspruch gerecht, ein Solidaritätsverein für alle Linken zu sein.

Anlässlich des Jubiläums haben Sie sich vermutlich einiges vorgenommen?

Es ist vieles geplant. Wir als Vorbereitungskomitee haben in Zusammenarbeit mit dem Bundesvorstand und einzelnen Ortsgruppen zahlreiche Materialien zusammengestellt und Veranstaltungen organisiert. Eröffnet wird das Feierjahr am Sonnabend mit einer Gala und einem Empfang im Millerntor-Stadion in Hamburg. Geladen sind zahlreiche Gäste wie befreundete Organisationen und Künstler. Anschließend gibt es noch eine Soliparty der Ortsgruppe Hamburg. Aber wir veranstalten nicht nur Feiern und eine Gala. Wir haben auch eine Ausstellung inklusive Katalog über unsere Geschichte organisiert, einen Film gedreht, Merchandise erstellt und eine Broschüre veröffentlicht.

Und wie feiern die Ortsgruppen 100 Jahre Rote Hilfe?

Über 15.000 Mitglieder und mehr als 50 Ortsgruppen finanzieren und organisieren unsere Arbeit. Die Aktivitäten zum 100. sind wirklich vielseitig. In Oldenburg wird es eine Fahrradgedenktour zu Fluchtwegen geben, auf denen politisch Verfolgte in die Niederlande gelangten. Die Ortsgruppe Hannover plant beispielsweise eine Lesung, in Magdeburg wird ein Theaterstück zu Hans Litten vorbereitet. Unsere Ausstellungen wird an vielen Orten zu sehen sein, zum Beispiel in Regensburg im Gewerkschaftshaus. Es gibt Konzerte und Solipartys. Alle uns gemeldeten Termine werden gesammelt auf unserer Homepage veröffentlicht.

Wo wird man den von Ihnen genannten Film anschauen können?

Hoffentlich überall, wo es Kinos gibt. Ortsgruppen sind mit zahlreichen Häusern im Gespräch und bemühen sich um Sondervorführungen. Den Beginn macht die Ortsgruppe Heidelberg-Mannheim mit einer Vorführung am 7. März im Cinema Quadrat. Aber der Film wird auch im Internet verfügbar sein und von vielen Ortsgruppen am 18. März, dem Tag der politischen Gefangenen, gezeigt werden.

Höhepunkt soll im Oktober eine große Feier in Berlin sein. Weshalb dort?

Es erschien uns als schönes Symbol, dahin zurückzukehren, wo vor 100 Jahren das Abenteuer Rote Hilfe begann.

Celine Fercher ist aktiv im Vorbereitungskomitee zu den 100-Jahr-Feierlichkeiten der Soli­daritätsorganisation Rote Hilfe e. V.

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