Dakar droht ein Beben
Von Jörg KronauerGerät in Senegal nach dem »kalten Putsch«, wie manche die kurzfristige Verschiebung der Präsidentenwahl durch Amtsinhaber Macky Sall nennen – sie hat das Land Anfang der Woche in Aufruhr gestürzt –, nun auch die Wirtschaft ins Wanken? Warnungen, genau das könne womöglich schon bald geschehen, machen aktuell nicht nur unter senegalesischen Unternehmern, sondern auch international die Runde. Für Senegal, das zwar nicht so stark verarmt ist wie etwa der angrenzende Sahelstaat Mali, das aber dennoch zu den ärmeren Ländern Afrikas gehört, wöge das schwer.
Dabei geht es gar nicht mal so sehr um die kurzfristigen Erschütterungen, die durch die Proteste wegen der Wahlverschiebung sowie durch die Repression gegen Regierungsgegner entstehen. Diverse Straßen sind durch Demonstrationen oder Polizeieinsätze blockiert. Um die Proteste zu behindern, hat die Präfektur der Hauptstadt Dakar den Gebrauch von Mopeds verboten.
Darüber hinaus hat die Regierung die Mobilfunknetze abschalten lassen. Je nachdem, wie lange die Proteste fortdauern, werde sich dies auf Handel und Lieferketten auswirken, befürchten Unternehmer. Mittelfristig droht die Unruhe zudem den Tourismus zu schädigen. Immerhin hoffte die Branche, dieses Jahr würden rund drei Millionen Touristen Geld ins Land bringen; das steht nun in Frage, nicht zuletzt, weil die Wahl erst im Dezember abgehalten werden soll und niemand weiß, wie unruhig der Sommer verlaufen wird.
Schwerer wiegt, dass Senegal seinen Ruf einbüßt, eines der stabilen Länder Westafrikas zu sein. »Politische Stabilität« sei »ein Schlüsselfaktor« bei der Standortwahl für auswärtige Investoren, zitierte am Dienstag Jeune Afrique den Oppositionskandidaten Déthié Fall von der republikanischen Fortschrittspartei (Parti républicain pour le progrès, PRP); die plötzliche Wahlverschiebung drohe Investoren abzuschrecken und damit das Wachstum des Landes zu schädigen.
Riskant ist auch, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) im vergangenen Jahr Dakar ein Darlehen über 1,8 Milliarden US-Dollar zugesagt hat, und zwar unter der optimistischen Annahme, Senegals Wachstum werde dieses Jahr wohl 8,8 Prozent erreichen. Zwar basiert die Annahme vor allem darauf, dass die Erdgasförderung aus dem Gasfeld Grand Tortue Ahmeyim vor der Küste Senegals und Mauretaniens dieses Jahr starten und der Wirtschaft neuen Schwung bringen soll. Dennoch: Gefährdet die politische Krise das Wachstum, dann drohen perspektivisch auch Schwierigkeiten mit dem IWF.
Unklar ist nicht zuletzt, wie sich die weitere Entwicklung auf die – auch wirtschaftlichen – Beziehungen zur einstigen Kolonialmacht Frankreich auswirken wird. Mit Blick auch auf Senegal äußerte der Afrikaexperte Antoine Glaser am Dienstag im Gespräch mit dem französischen Wochenmagazin L’Express, »alles, was aus Frankreich kommt«, werde heute »von der afrikanischen Jugend extrem schlecht aufgenommen«; Präsident Sall wiederum gelte als Parteigänger der französischen Regierung.
In Senegal wächst der Unmut über die ehemaligen Kolonialherren wie in so vielen französischsprachigen Ländern Afrikas seit geraumer Zeit. Als es im vergangenen Jahr zu teils heftigen Protesten gegen die Regierung in Dakar kam, die bereits damals mit drastischer Repression gegen die Opposition einschritt, wurden zuweilen Supermärkte französischer Konzerne gezielt geplündert. Es spricht für sich, dass entschiedene Gegner neokolonialer Einflussnahme wie der linke Oppositionspolitiker Guy Marius Sagna nach Beginn der aktuellen Proteste festgenommen wurden.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Martin M. aus Lissabon (7. Februar 2024 um 22:23 Uhr)Und noch ein Beispiel, welches die Scheinheiligkeit des sogenannten demokratischen Westens zeigt. Inzwischen hat Macron einen Sonderdelegierten in verschiedene afrikanischen Länder gesandt (auch nach Senegal), um über den Aufbau von französischen Militärbasen zu verhandeln. Meine Prognose: die werden kommen, da die korrupten Regierungen geschmiert werden, z. B. mit steuerfreien Luxuswohnungen – Villen in Frankreich etc. Dies zeigt auch, dass Frankreich nach wie vor imperialistische Großmachtwahnvorstellungen hat, den wieso braucht es zur Landesverteidigung Basen in Afrika?
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