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Aus: Ausgabe vom 08.02.2024, Seite 6 / Ausland
Essequibo-Konflikt

Friedensverhinderer USA

Guyana: Vereinigte Staaten verstärken Militärpräsenz in Region trotz Nichteinmischungsabkommen
Von Volker Hermsdorf
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Ein Grund für die US-Präsenz: Der Ölreichtum der Region (Georgetown, Guyana, 23.1.2020)

Auch in Lateinamerika behindert Washington Verhandlungslösungen für regionale Konflikte. Ein aktuelles Beispiel dafür ist der seit Jahrzehnten schwelende Territorialstreit zwischen Venezuela und Guyana um die knapp 160.000 Quadratkilometer große ölreiche Essequibo-Region. Obwohl Yván Gil und Hugh Todd, die Außenminister der beiden Staaten, sich am 25. Januar in Brasilia darauf verständigt hatten, jede Einmischung ausländischer Mächte zu vermeiden, bauen die USA ihre Militärpräsenz im Grenzgebiet systematisch aus. Die Ambitionen der US-Regierung und ihrer Militärs verringern die Chancen für die von beiden Seiten angestrebte friedliche Beilegung der Streitigkeiten.

Angeblich nur humanitär

Wie örtliche Medien am Dienstag (Ortszeit) berichteten, ging es bei einem Treffen von Offizieren des Südkommandos der US-Streitkräfte (Southcom) und Vertretern der Regierung von Guyana in den vergangenen Tagen angeblich darum, »humanitäre Hilfsprogramme der USA in dem von Venezuela beanspruchten Gebiet zu koordinieren«. Laut der US-Botschaft fanden die Gespräche auf der Westseite des Essequibo-Flusses statt, der die östliche Grenze der umstrittenen Region ist. Während der Befehlshaber der Southcom-Luftwaffe, Generalmajor Evan Pettus, Meldungen über die geplante Einrichtung einer US-Militärbasis am Sonntag gegenüber der Tageszeitung Guyana Chronicle als »unbegründet« zurückwies, bestätigte der staatliche US-Auslandssender Voice of America einen Tag später, dass die Regierung der Vereinigten Staaten »ihre Militärhilfe für Guyana aufstocken« werde. Unter anderem habe Washington finanzielle Unterstützung für den Kauf neuer Flugzeuge, Hubschrauber, einer Flotte von Militärdrohnen und erstmals auch von Radartechnologie zugesagt, um »die Verteidigungsfähigkeiten des südamerikanischen Landes« zu stärken. Der Plan wurde einen Tag nach der Zusammenkunft des stellvertretenden nationalen Sicherheitsberaters der USA, Jonathan Finer, und des leitenden Direktors des US-amerikanischen Nationalen Sicherheitsrats für die westliche Hemisphäre, Juan Gonzalez, mit den guyanischen Regierungsvertretern bestätigt.

Dennoch bestritt Southcom-General Pettus jeden Zusammenhang mit den Ölressourcen in dem von Venezuela beanspruchten Gebiet. »Soweit mir bekannt ist, gibt es dafür keine Grundlage«, sagte er dem Guyana Chronicle. Er betonte, dass die Zusammenarbeit der beiden Länder lediglich auf humanitäre Programme und Katastrophenhilfe ausgerichtet sei und »nichts mit der geopolitischen Dynamik im Nachbarland Venezuela« zu tun habe. Die dortige Regierung von Nicolás Maduro fühlt sich allerdings trotz derartiger Beteuerungen durch die zunehmende US-Militärpräsenz im Nachbarland bedroht. Und dafür gibt es nachvollziehbare Gründe. Unter dem Stichwort »Prioritäten der Bedrohungsbekämpfung« werden Washingtons Ziele in der Region auf der aktuellen Southcom-Homepage nämlich anders als von Pettus beschrieben. »Wir werden mit unseren Partnernationen zusammenarbeiten, um bösartige Aktivitäten in unserer Nachbarschaft aufzudecken, abzuschrecken und abzuschwächen, um so die Bedrohungen für eine freie und stabile westliche Hemisphäre, die internationalen Normen, Freiheiten und den kollektiven Frieden, die Sicherheit und den Wohlstand garantieren, zu mindern«, heißt es da. Im selben Absatz, der dem Southcom-Befehlshaber bei seinen Friedensbeteuerungen offenbar entfallen war, lautet die unmissverständliche Ansage: »Wir werden mit Verbündeten und Partnern zusammenarbeiten, um die bösartigen Aktivitäten Russlands, Irans und regionaler bösartiger Regime in Kuba, Venezuela und Nicaragua einzudämmen.«

Ständige US-Provokationen

Bereits im Dezember hatte Washington Einheiten des US-Südkommandos nach Guyana entsandt und Flugmanöver im Grenzgebiet zu Venezuela durchgeführt. Ein halbes Jahr zuvor war auch die Militärübung »Tradewinds 2023« im »Camp Ayanganna« der guyanischen Streitkräfte eröffnet worden. Unter der Leitung von Southcom hatten dabei 1.500 Militärangehörige aus 21 Ländern im ganzen Land Übungen in den Bereichen Boden, Luft, See und Cybersicherheit durchgeführt. Das Manöver sei ein »Beispiel für das Engagement, mit dem wir unsere Partnerschaften stärken und unsere Verantwortung als Verteidiger unserer Werte gemeinsam wahrnehmen« gewesen, beschrieb der kommandierende US-General William Thigpen den Zweck der Übung.

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  • Leserbrief von Lothar Zieske aus Hamburg (12. Februar 2024 um 11:40 Uhr)
    Die USA spielten bereits in der Geschichte der Unabhängigkeitsbestrebungen des damaligen Britisch-Guyana ihre Rolle als Friedensverhinderer. Auf Wikipedia wird nur erwähnt, dass das Land am 26. Maik 1966 unabhängig wurde und sich am 23. Februar 1970 zur Kooperativen Republik Guyana erklärte. Nicht erwähnt wird, dass Großbritannien seine Kolonie bereits 1963 in die Unabhängigkeit entlassen wollte, die USA aber auf eine Intervention Großbritanniens drängten. Großbritannien folgte diesem Ansinnen. Ergebnis: Die Regierung von Britisch-Guyana wurde gestürzt. Erst drei Jahre später erreichte, wie erwähnt, das Gebiet seine Unabhängigkeit. (Vgl.: Herbert S. Klein/Francisco Vidal Luna: Brazil 1964–1985, New Haven 2017, S. 4 ff.) Lothar Zieske Hamburg

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