junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Donnerstag, 2. Mai 2024, Nr. 102
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Aus: Ausgabe vom 06.02.2024, Seite 15 / Natur & Wissenschaft
Anthropologie

Schon vor 45.000 Jahren in Thüringen

Neue Funde geben Aufschluss über die Besiedlung Mitteleuropas durch den Homo sapiens. Sie bringen mehrere Vorstellungen ins Wanken
Archaeologie_an_der_80867658.jpg

Der Homo sapiens war bereits vor 45.000 Jahren in Thüringen, viel früher als bisher angenommen. Was hat er da gemacht? Tierherden nachgejagt, um sie zu Wurstbrät zu verarbeiten? Gefroren? In diesen nördlichen Gegenden Mitteleuropas war es zu jener Zeit etwa sieben bis 15 Grad kälter als heute. Damals herrschte ein sehr kaltes Kontinentalklima, Steppenlandschaften, ähnlich denen im heutigen Sibirien oder in Nordskandinavien, prägten das Bild. Wissenschaftler haben bisher angenommen, dass die Widerstandsfähigkeit des Menschen gegen solche Klimabedingungen erst mehrere tausend Jahre später entstanden war. Funde von 45.000 Jahre alten Knochen des Homo sapiens in der Ilsenhöhle in Thüringen belegen allerdings ein so weites Vordringen des anatomisch modernen Menschen nach Norden. Das berichtete das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig am vergangenen Mittwoch. Es handelt sich dabei um die ältesten bislang gefundenen Überreste in Mittel- und Nordwesteuropa.

»Die Resultate der Forschungen führen nun zu einem fundamentalen Umdenken zur Besiedlungsgeschichte am Beginn der Epoche des modernen Menschen und zu deren Zeitabläufen«, erklärt Tim Schüler vom thüringischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie. Die Funde aus Ranis bei Saalfeld bringen mehrere Vorstellungen ins Wanken. Bisher ging man davon aus, dass eine Besiedlung Mitteleuropas erst vor etwa 40.000 Jahren stattgefunden habe. Zwar sind bestimmte, teilweise beidseitig bearbeitete Steinklingen älter und tauchten auch in Nordwesteuropa auf, doch sie wurden bisher Neandertalern zugeordnet, die schon vor mehr als hunderttausend Jahren auf dem Kontinent lebten und vor etwa 40.000 Jahren verschwanden. Doch in der Ilsenhöhle fand das Forschungsteam neben den Klingen auch Knochenreste, deren DNA eindeutig vom Homo sapiens stammt. Demnach gehen Steinklingen, die unter anderem in Großbritannien entdeckt wurden, ebenfalls auf den Homo sapiens zurück.

»Die Fundstelle in Ranis erbrachte den Beweis für die erste Ausbreitung von Homo sapiens in die nördlichen Breiten von Europa«, sagt Jean-Jacques Hublin, emeritierter Direktor des Leipziger Max-Planck-Instituts. »Es ist jetzt sicher, dass Steingeräte, von denen man dachte, dass sie von Neandertalern hergestellt wurden, definitiv von modernen Menschen stammen.« (jW)

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. Alle Standorte finden Sie unter diesem Link.

Regio:

Mehr aus: Natur & Wissenschaft