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Aus: Ausgabe vom 06.02.2024, Seite 4 / Inland
»NSU 2.0«-Drohserie

Staatsanwaltschaft glaubt an Einzeltäter

Frankfurt: Ermittlungen gegen Polizisten in »NSU 2.0«-Verfahren eingestellt
Von Karim Natour
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Die Staatsanwaltschaft ist von der »Einzeltäter-Hypothese« überzeugt und erhebt keine Anklage gegen die Polizisten (Frankfurt am Main, 16.2.2022)

Im August 2018 erhält die Frankfurter NSU-Opferanwältin Seda Başay-Yıldız Todesdrohungen per Fax. Insgesamt 81 ähnliche Schreiben werden über einen Zeitraum von drei Jahren an verschiedene Personen in Deutschland verschickt. Sie alle sind mit »NSU 2.0« unterzeichnet, eine Anspielung auf die neonazistische Terrorzelle »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU), die mindestens neun Migranten und eine Polizistin ermordet hatte.

Im Zusammenhang mit den Drohbriefen ermittelte später die Frankfurter Staatsanwaltschaft, unter anderem wegen Bedrohung und der Verletzung von Dienstgeheimnissen, gegen zwei Polizisten des ersten Frankfurter Polizeireviers, von dem aus vor dem Drohbrief persönliche Daten von Başay-Yıldız aufgerufen worden waren. Zu einer Anklage gegen die beiden Polizisten Johannes S. und Miriam D. wird es nun jedoch nicht kommen. Das Verfahren wurde laut eines Sprechers der Staatsanwaltschaft bereits am 7. Dezember 2023 eingestellt, da »kein hinreichender Tatverdacht begründet werden konnte«, wie dpa am Montag berichtete.

Im November 2022 verurteilte das Frankfurter Landgericht in dem Fall den 54jährigen Alexander M. aus Berlin zu fünf Jahren und zehn Monaten Gefängnis. Der Angeklagte bestritt die Urheberschaft der Schreiben bis zuletzt. Das Gericht hingegen sah es als erwiesen an, dass M. die Briefe im Alleingang verschickt habe. Başay-Yıldız erklärte nach Prozessende, sie gehe nicht von einer Einzeltäterschaft aus, da unklar sei, wie ihre gesperrte Adresse zu dem aus Berlin stammenden Täter gelangt sei.

Die persönlichen Daten der Rechtsanwältin waren tatsächlich von einem Dienstcomputer im Revier von Johannes S. und Miriam D. abgefragt worden. Die Polizistin soll während der Datenabfrage auf dem Computer eingeloggt gewesen sein. Auf dem Handy von S. sollen Ermittler zudem Onlinesuchen nach »Yildiz in Frankfurt« sowie Filmzitate gefunden haben, die auch in »NSU 2.0«-Schreiben aufgetaucht seien, wie die Taz am Sonntag berichtete.

Im September 2023 machte dasselbe Revier Schlagzeilen, als im Kontext der Ermittlungen auf der Plattform »Frag den Staat« Protokolle einer internen Chatgruppe mit dem Namen »Itiotentreff« veröffentlicht wurden, in der sich Polizisten der betreffenden Dienststelle über Juden, Migranten und Behinderte lustig gemacht und Nazibilder verschickt hatten – unter ihnen Johannes S. und Miriam D. Die beiden Beamten sind suspendiert, erhalten jedoch weiterhin ihre Bezüge. Gegen die Mitglieder des Chats läuft zudem ein Verfahren wegen Volksverhetzung. Auch von weiteren polizeilichen Dienstcomputern in verschiedenen deutschen Städten waren Adressen von späteren Empfängern der »NSU 2.0«-Briefe abgefragt worden.

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