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Aus: Ausgabe vom 02.02.2024, Seite 6 / Ausland
Italien

Scharfer Rechtsruck in Südtirol

Brüder Italiens und Co: Neue Regierung mit Volkspartei an Spitze bestätigt
Von Gerhard Feldbauer
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Alter und neuer Landeshauptmann: Arno Kompatscher (SVP) bei der Abgabe seines Stimmzettels (Bozen, 22.10.2023)

Fast hätte der Tennisprofi Jannik Sinner aus dem Bergdorf Sexten, der am Wochenende die Australian Open gewonnen hat, die Wahl der neuen Regierung in der italienischen Provinz Südtirol am Donnerstag aus den Schlagzeilen der Medien verdrängt. Doch dann setzte sich das politische Thema etwa im Onlineportal der Südtirol News oder in Rom bei Rai News 24 doch noch durch. Mit einem Tag Verspätung bestätigte der Landtag am Mittag die neue Landesregierung. Sie war aus den Wahlen vom 22. Oktober und langwierigen Koalitionsverhandlungen hervorgegangen.

Unter 16 Listen mit insgesamt 488 Kandidaten, die sich um die 35 Plätze beworben hatten, blieb die rechtskonservative Südtiroler Volkspartei (SVP) im Oktober zwar mit 34,5 Prozent stärkste Kraft, verlor jedoch ihre absolute Mehrheit. Die extrem rechte »Süd-Tiroler Freiheit« landete mit 10,9 Prozent auf Platz drei und auch die faschistischen Fratelli d’Italia (Brüder Italiens, FdI) von Premierministerin Giorgia Meloni konnte sich mit einem Ergebnis von sechs Prozent verbessern. Der Rechtsruck zwang den bisherigen Landeshauptmann Arno Kompatscher von der SVP zu Verhandlungen. Die jetzige Koalition setzt sich aus fünf Parteien zusammen: Der SVP, den Südtiroler Freiheitlichen, den Fratelli d’Italia, der Lega und der rechtsliberalen Bürgerliste La Civica. Am Montag hatte der SVP-Ausschuss der Zusammensetzung der künftigen Landesregierung mit 73 von 76 Stimmen zugestimmt. Das Kabinett zählt elf Mitglieder, von denen die Rechtskonservativen fünf stellen, darunter der Arzt Hubert Messner, der als Unabhängiger auf der Liste der SVP gewählt wurde. Ebenfalls Mitglied ist der parteilose evangelische Theologe und Antifaschist Peter Brunner und der den Beruf eines Bauern ausübende Luis Walcher.

Gegen die Bildung einer Regierung aus Parteien mit einer »unverhohlenen neofaschistischen Politik« hatte es bereits nach den Wahlen Proteste gegeben. Einige Demonstranten gingen so weit, dem alten und neuen Regierungschef Kompatscher einen »Pakt mit dem Teufel« vorzuwerfen. Auch am Mittwoch zogen wieder Demonstranten vor den Landtag. Dieser debattierte über acht Stunden lang und verschob die Abstimmung dann auf Donnerstag. Ob Koalitionen aus rechten Parteien, wie es sie nun in der 530.000 Einwohnern zählenden Provinz Südtirol gibt, ein Vorzeichen für andere Regionen in Europa setzen werden, bleibt abzuwarten. Rhetorisch hat die SVP stets großen Wert auf die Abgrenzung nach rechts gelegt, was Kompatscher mit dem Hinweis auf die Koalitionsvereinbarung bekräftigte, in der »ein klares Ja zu Europa und ein klares Nein zu jeglicher faschistischer Ideologie« stehe. »Es gibt eine klare rote Linie«, erklärte der SVP-Mann, wenn es »in die falsche Richtung geht, wird die Reißleine gezogen«.

Zumindest ein europaweiter Trend ist auch in Südtirol angekommen und dürfte eine erste Bewährungsprobe für den Bauern Walcher, der das Ressort Landwirtschaft, Forst und Touristik übernommen hat, werden: Proteste von Landwirten gegen die Agrarpolitik von Rom und Brüssel. Man ist gegen den Anstieg von Rohstoffpreisen – aber auch gegen Laborfleisch und Insektenmehl. In der Landeshauptstadt Bozen blockierten Traktoren vergangene Woche den Verkehr. Der italienische Vizepremier, Lega-Chef Matteo Salvini, versuchte, seiner frisch gewonnen Klientel in Südtirol zu Hilfe zu kommen und machte die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, für die Bauernproteste verantwortlich. »Die Landwirte mit ihren Traktoren auf den Straßen ganz Europas haben ein Problem mit der derzeitigen Europäischen Kommission«, so Salvini vor Journalisten im Europäischen Parlament in Brüssel.

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