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Aus: Ausgabe vom 01.02.2024, Seite 8 / Abgeschrieben

DKP: Kein »Antifawashing« für Kriegstreiber

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DKP-Anhänger auf einer Kundgebung (3.10.2022)

Die DKP kritisierte am Mittwoch im Zuge der jüngsten Demonstrationen gegen rechts erhobene Forderungen nach einem Verbot der AfD:

(…) Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) schließt sich den Verbotsforderungen von Ampel und CDU nicht an. Es handelt sich um Kriegstreiberparteien, die nun eine Art »Antifawashing« betreiben, indem sie eine andere, von ihnen selbst hochgepäppelte Kriegstreiberpartei verbieten wollen. Antifaschismus und Friedensfrage können jedoch nicht voneinander getrennt werden. Den Versuchen, eine Politik der Aufrüstung, des sozialen Kahlschlags und der imperialistischen Aggression durch eine von jedem politischen Inhalt und der Klassenfrage entkernte Kampagne »gegen rechts« zu legitimieren, tritt die DKP entgegen.

Die Verbotsforderungen müssen zudem im historischen Kontext betrachtet werden. Ein Parteiverbot nach Artikel 21 des Grundgesetzes wurde in der Geschichte der BRD genau einmal mit Brachialgewalt angewendet: beim verfassungswidrigen Verbot der KPD im Jahre 1956. Das vorangegangene Verbot der SRP war eher ein Feigenblatt für das KPD-Verbot und die SRP selbst war von Agenten des Verfassungsschutzes durchsetzt. Sie wurde also ebenso mit staatlicher Unterstützung hochgepäppelt wie die NPD, deren Verbot das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2017 ablehnte. Tatsächlich ging es bei diesen Verbotsverfahren gegen Gruppen, die vielfach politische und finanzielle Unterstützung erhalten hatten, nicht um einen vermeintlichen »Kampf gegen rechts«. In letzter Konsequenz zielten sie auf Kommunistinnen und Kommunisten.

Der antifaschistische Auftrag des Grundgesetzes ist im Artikel 139 immer noch enthalten. Nach ihm dürften neonazistische, faschistische Organisationen gar nicht erst existieren – dieser Auftrag wird von den Herrschenden seit 1949 nicht umgesetzt. Wer trotz dieser Nichtbeachtung weitere Instrumente zum Verbot von Organisationen schaffen will, hat nicht den Antifaschismus im Sinn, sondern die nächste Phase des reaktionär-militaristischen Staatsumbaus.

Die Bundesvereinigung der Sinti und Roma (BVSR) protestierte am Mittwoch gegen den geplanten S-Bahnbau durch das Denkmal für die von den Nazis ermordeten Sinti und Roma:

Anlässlich der Holocaust­gedenkstunde 2024 erinnert (BVSR Generalsekretär, jW) Romeo Franz an die mindestens 500.000 ermordeten Sinti und Roma Europas. (…) Der EU-Abgeordnete und Musiker Franz ist einer der drei Künstler, die zum Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma beigetragen haben – von ihm stammt die Klanginstallation, die er mit dem Geigenbogen seines in Auschwitz ermordeten Großonkels Paul Franz einspielte.

»Wir sind erschüttert, dass der Berliner Senat am 19. Dezember 2023 dem Bau der neuen S-Bahntrasse zugestimmt hat, der unser Denkmal, nur zwölf Jahre nach dessen Einweihung, massiv beschädigen wird«, so der BVSR-Generalsekretär.

Das Abholzen vieler uralter Bäume, die Teil des Denkmals sind, greift massiv in das Werk des israelischen Künstlers und Architekten Dani Karavan ein und beeinträchtigt das Gedenken an die Sinti und Roma, die Opfer des NS-Terrors wurden. »Erinnern heißt, für die Gegenwart und Zukunft zu kämpfen. Wir geben nicht auf, das Denkmal zu schützen und fordern mehr Sensibilität gegenüber unserer Minderheit«, sagt Romeo Franz.

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  • Leserbrief von Ulrich Sander aus Dortmund (1. Februar 2024 um 12:37 Uhr)
    Wir erleben die größten Demos für Demokratie und Menschenrechte seit Anfang der 80er! Das ist großartig! Dies stand auf dem kleinen Schild, dass ich auf der Demo in Dortmund trug: »Heute Rückführung durch Ampel, morgen Deportation durch Nazi-AfD?« Leider berichten Sie nicht darüber, dass viele Teilnehmer/innen an den gegenwärtigen Demonstrationen auch die Heuchelei der Regierenden thematisieren, welche die großen Demonstrationen begrüßen, aber dabei sind, im großen Stil heutige Flüchtlinge abzuweisen. Nur die Rückführung der seit Jahrzehnten Eingereisten, wie die AfD sie fordert, die erscheint den Politikern der Mitte wohl als übertrieben? Ich bin froh über Hunderttausende Demonstranten, aber nicht über die paar Politiker, die sich einschlichen. Zudem bin ich enttäuscht über die Haltung des DKP-Parteivorstandes, wie sie in der heutigen jW zum Ausdruck kommt. Die Forderung nach einem AfD-Verbot zielt letztlich auf ein DKP-Verbot? Werdet Ihr nun wunderlich, frage ich die Genossen.
    • Leserbrief von Wasserm, I. (2. Februar 2024 um 06:19 Uhr)
      Lieber Herr Sander, die Hufeisen Theorie sagt, dass von Links wie Rechts der bürgerliche Staat bedroht werde. Aktuell wird die Gefahr, die von der AfD ausgeht, dazu genutzt, Maßnahmen zu ergreifen, die das werteorientierte Handeln für den Imperalismus absichern. MfG
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Paul V. aus 52062 Aachen (1. Februar 2024 um 13:07 Uhr)
      Lieber Herr Sander, aus der Geschichte zu lernen, ist das wunderlich? Sie sollten bis in die Fünfziger Jahre zurückdenken: Das SRP-Verbot als Blaupause für das dann folgende schändliche KPD-Verbot. Ist das etwa nicht passiert? Die Geschichte zeigt, dass durch gerichtliche Urteile nie ein politischer Fortschritt erreicht wurde und erreicht werden kann. Dazu gehört ein AfD-Verbot aus Karlsruhe. Vielleicht: gut gemeint ist schlecht gemacht. Das Beispiel des Urteils des IStG-Hofs in Den Haag, den Terrorkrieg Israels gegen das palästinensische Volk nicht (!) als solchen zu verurteilen, sagt uns etwas über das Wirken von Juristen in Gerichten und die Wirksamkeit von Gerichtsurteilen. Das Recht ist ein Herrschaftsmittel der Kapitalistenklassen und der Imperialisten weltweit. »Regelbasiert« wird es heute genannt.
  • Leserbrief von Holger K. aus Frankfurt (31. Januar 2024 um 22:13 Uhr)
    Das Verbotsbegehren der AfD ist ausgesprochen scheinheilig, soll suggerieren, dass die Regierung in hehrer Absicht dem Antifaschismus diene, dabei betreibt sie ein bloßes Ablenkmanöver, um so die eigenen Sauereien zu vertuschen. Wer wie die hiesige Regierung scheinheilig ein pseudodemokratisches Gewand sich umschnallt, will das eher ahnungslose Publikum hinters Licht führen, auf dass so der eigene Militarismus und Kriegstreiberei möglichst im Dunklen bleibe. Darüber hinaus ist ein AfD-Verbot erst der Auftakt für das dann folgende große Aufräumen gegen jegliche linke Organisationen und Bewegungen, einschließlich antikapitalistischer Kundgebungen. Es ist dies das Prinzip »mit der Wurst nach dem Schinken schmeißen«. Wäre es der Ampel sowie der CDU ernst um einen Antifaschismus, dann müsste sie eigentlich ihre hemmungslose Aufrüstung sowie Kriegstreiberei einstellen, sowie ihren massiven Sozialabbau beenden. All das wäre zudem mit einer großangelegten Aufklärungskampagne über das eigentliche Wesen des Faschismus sowie dessen Drahtzieher zu begleiten. Doch daran hat die Ampel und CDU/CSU keinerlei Interesse, so dass sich der falsche braune Protest durch ein AfD-Verbot nicht wirklich bekämpfen lässt. Einem Springteufel gleich, wird alles Braune aus der Verbotsschublade herausspringen und sich erneut ansammeln und sei es eine großzügige Aufnahme Rechter in die CDU oder anderweitigen Ablegern. Ein AfD Verbot ist also fragwürdig, eigentlich eine schwache Nummer, dass der traditionelle Staatsapparat keine sonstigen Register in Sachen Antifaschismus zu ziehen gewillt ist. So entsteht denn die skurrile Situation, dass eine reaktionäre Regierung, ein reaktionärer Staatsapparat noch reaktionärere Rechte (AfD) gedenkt zu bekämpfen. Satan soll also mit Beelzebub ausgetrieben werden, mehr oder minder grotesk ist so was ja schon.

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