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Aus: Ausgabe vom 31.01.2024, Seite 15 / Antifaschismus
Befreiung von Auschwitz

Kranzloses Gedenken

Freital: Gedenkrede am Holocaust-Mahnmal hätte in diesem Jahr turnusgemäß ein Redner der AfD halten sollen. OB sagt Veranstaltung ab
Von Henning von Stoltzenberg
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Freital: Denkmal von Wieland Förster zur Erinnerung an die Opfer des Faschismus

Nach bundesweiter Empörung über die geplante Rede eines AfD-Politikers beim Holocaust-Gedenken im sächsischen Freital hat die Stadt die offizielle Kranzniederlegung am vergangenen Sonnabend abgesagt. Der Rücktritt von sechs Mitgliedern der Stadtratsfraktion soll damit aber offenbar in keinem Zusammenhang stehen.

Am Sonnabend jährte sich die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee im Jahr 1945 zum 79. Mal. Mit der Absage in Freital solle Schaden von der Veranstaltung und dem »aufrichtigen Erinnern« abgewendet werden, sagte Oberbürgermeister Uwe Rumberg (Wählervereinigung Konservative Mitte). In Freital bei Dresden wechseln sich nach Angaben der Stadtverwaltung seit einigen Jahren die Stadtratsfraktionen bei den Reden am Holocaust-Gedenktag ab. In diesem Jahr wäre demnach turnusmäßig die AfD an der Reihe gewesen. Der Ältestenrat hatte dies – trotz der Proteste – in einer Sondersitzung am 22. Januar noch bestätigt.

Rumberg zog daher am Freitag vor der geplanten Gedenkstunde die Notbremse. Er sähe die Gefahr, dass die Sicherheit der Veranstaltung und der Teilnehmer nicht zu gewährleisteten und Störaktionen nicht auszuschließen seien. Rumberg berichtete von diffusen Bedrohungen und Beschimpfungen gegenüber Teilnehmern und unbeteiligten Mitarbeitern im Rathaus. »Unter diesen Umständen ist für mich ein würdiges und friedliches Gedenken nicht möglich«, sagte das Stadtoberhaupt.

Ob der Oberbürgermeister dabei an Störungen durch Antifaschisten dachte? Scharfe Kritik an dem Vorhaben, dass ein AfD-Politiker die Rede hält, kam jedenfalls von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA). Beim diesjährigen Gedenken an die Opfer von Faschismus und Krieg der AfD das Wort zu erteilen, sei »schlicht zynisch«, erklärte Cornelia Kerth, Bundesvorsitzende der VVN-BdA, am Donnerstag gegenüber junge Welt. Die AfD sieht Kerth »in der Tradition derer, die für den millionenfachen Mord in Auschwitz verantwortlich sind«. Rechte »Remigrations«-Phantasien, deren Umsetzung die Ausweisung und Deportation von Millionen von Menschen bedeuten würde, weil diese als »undeutsch« definiert werden, löse völlig zu Recht Entsetzen aus, sagte die VVN-BdA-Bundesvorsitzende. Die Losung laute daher: »Kein Gedenken mit der AfD!«.

Seit mindestens 2019 gebe es verschiedentliche Aufrufe, die AfD insbesondere wegen ihrer geschichtsrevisionistischen und rechten Positionen von Gedenkveranstaltungen, Lesungen, Rundgängen oder individuellen Erinnerungsaktionen auszuladen, die von engagierten Privatpersonen gemeinsam mit Politikerinnen und Politikern aus Gemeinde- und Stadträten sowie der Landes- und Bundespolitik gestaltet würden, wie Felix Pankonin, Sprecher der sächsischen Landesarbeitsgemeinschaft »Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus«, in einer Stellungnahme erklärte.

Dem Protest schloss sich auch die Freitaler Stadtfraktion aus Linkspartei, SPD und Bündnis 90/Die Grünen an. Als Protestaktion sollten die Büros der AfD-Fraktion angelaufen und dort Bilder des Leipziger Fotografen Martin Neuhof gezeigt werden. Die Route sollte auch über das Mahnmal für die Opfer des deutschen Faschismus am Platz des Friedens führen, wo Blumen niedergelegt und der Opfer gedacht werden sollte.

Dies alles dürfte der Freitaler AfD jedoch vermutlich weniger Ärger bereiten als der Verlust von nicht weniger als sechs Fraktionsmitgliedern im Stadtrat. Innerhalb der vergangenen Woche seien der nun ehemalige Fraktionsvorsitzende Torsten Heger, sein Vize Michael Zscherper sowie vier weitere Stadträte aus der AfD-Fraktion ausgetreten, wie Heger dem MDR mitteilte. Die Partei ist damit nur noch mit zwei Stadräten vertreten, kann aber ihren Fraktionsstatus halten. Der Grund sei, dass die nun Zurückgetretenen es nicht auf die Kandidatenliste für die Kommunalwahl schafften.

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