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Aus: Ausgabe vom 31.01.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Arbeitskampf

Antistreikgesetz nicht angewendet

Großbritannien: Drängen der Regierung, Unternehmen scheuen Verwaltungsaufwand. Verkehr wird landesweit bestreikt
Von Dieter Reinisch
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Der erste Ausstand, für den das Gesetz in Frage käme: Lokführer am Dienstag in London

Der öffentliche Verkehr in Großbritannien wird weiter ungebremst bestreikt. In dieser Woche sind neben einigen lokalen Verkehrsbetrieben vor allem die Lokführer der Gewerkschaft ASLEF im Ausstand. Die größte Niederlage in diesem Zusammenhang wurde dem konservativen Regierungschef Rishi Sunak vorab von den Unternehmern zugefügt: Sie weigern sich, sein neues Antistreikgesetz anzuwenden und streikende Lokführer zum Arbeiten zu zwingen.

Sunak sei enttäuscht, dass die Bahnbetreiber das neue Antistreikgesetz in dieser Woche nicht anwenden werden, sagte ein Sprecher des Regierungschefs am Montag zur BBC. Ein im Sommer verabschiedetes Gesetz ermöglicht es den Eisenbahnunternehmen, Gewerkschaften bei Streiks zu zwingen, 40 Prozent des Betriebs aufrechtzuerhalten. Der am Dienstag begonnene ASLEF-Streik ist der erste Ausstand, bei dem das Gesetz angewendet werden kann. Der Regierungssprecher forderte die Betreiber auf, »ihre Dienste effektiv zu verwalten«. Ein Sprecher der Betreiberfirmen erklärte der BBC, die Umsetzung des Antistreikgesetzes sei aufgrund des großen Verwaltungsaufwands nicht möglich.

ASLEF-Generalsekretär Michael »Mick« Whelan warf der Regierung »krasses, straußenhaftes Verhalten« vor – er habe seit mehr als einem Jahr stetiger Eskalation keinen Verkehrsminister mehr getroffen. Die Industrie habe ein »faires und vernünftiges Angebot« gemacht, zitierte die Zeitung Mirror am Montag einen Sprecher des Verkehrsministeriums. Die ASLEF-Führung weigere sich, ihre Mitglieder über dieses Angebot abstimmen zu lassen. Bis Montag wollen die ASLEF-Mitglieder Überstunden boykottieren und in einem Rollstreik unterschiedliche Bahnlinien lahmlegen.

Bei lokalen Verkehrsbetrieben gibt es in dieser Woche landesweit Arbeitskämpfe, für Donnerstag wurde etwa der nächste Streik beim nordirischen Anbieter Translink angekündigt. Und beim Busunternehmen Abellio werden am Freitag rund 40 Mitarbeiter, die im Kontrollzentrum arbeiten und Busfahrer über Verkehrsbehinderungen wie Staus oder Unfälle informieren, die Arbeit niederlegen. Diesen Mitarbeitern, die für die Sicherheit aller Buslinien in London sorgen sollen, wurde für 2023 eine Gehaltserhöhung von fünf Prozent angeboten, was einen deutlichen Reallohnverlust bedeutet. Laut Gewerkschaft Unite erhalten sie bereits etwa 10.000 Pfund Sterling (11.690 Euro) pro Jahr weniger als Beschäftigte in vergleichbaren Positionen bei anderen Busunternehmen. Die angebotenen fünf Prozent Gehaltserhöhung würden die Schere zur Konkurrenz weiter aufgehen lassen. Der Streik lässt am Freitag ein Verkehrschaos in der britischen Hauptstadt erwarten. Kommt es zu keiner Einigung, hat Unite für jeden Freitag bis Ende Februar eine Arbeitsniederlegung bei Abellio angekündigt.

Einen Abschluss vermeldete Unite am Montag bei der britischen Bahn: Für Arbeiter in Hitachi-Zügen des Bahnbetreibers Great Western Railways (GWR), der Verbindungen von London nach Südwales und Cornwall anbietet, wurden Lohnerhöhungen erkämpft. Bevor Züge ohne die notwendigen Reparaturen und Wartungsarbeiten auf den Abstellgleisen blieben, kam es zur Einigung. Rückwirkend ab 1. April 2023 erhalten die Beschäftigten eine Einmalzahlung von 1.250 Pfund Sterling (1.462 Euro) und eine Gehaltserhöhung zwischen einem und sechs Prozent für das Geschäftsjahr 2023/24. Für das kommende Geschäftsjahr 2024/25 erhalten sie ab 1. April 2024 eine weitere Gehaltserhöhung von zwei bis fünf Prozent. Nicht alle Beschäftigte sind mit der Einigung zufrieden. Ingenieure von Hitachi erklärten nach Bekanntgabe der Einigung, der Betreiber GWR habe ihren Berufskollegen deutlich bessere Konditionen angeboten – weil diese das Mindeste seien, würden sie den Streik fortsetzen.

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