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Aus: Ausgabe vom 21.11.2023, Seite 8 / Ansichten

Mitschuld des Westens

Umsiedlungspläne für Gaza
Von Knut Mellenthin
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In Gaza gibt es keine Sicherheit mehr: Palästinensische Familie auf der Flucht (18.11.2023)

Ein zentrales Ziel der israelischen Kriegführung im Gazastreifen ist die Vertreibung der Bevölkerung. Die einflussreichsten Politiker der westlichen Allianz tun so, als hätten sie diese Absicht immer noch nicht bemerkt. Vielleicht spekulieren sie darauf, dass die israelische Regierungskoalition – die rechteste in der Geschichte des Landes seit der Staatsgründung 1948 – ihre Absicht nur in die Praxis umsetzen kann, wenn der Westen direkt mitspielt und darüber hinaus eine Reihe arabischer Länder zur Zusammenarbeit verpflichten kann. So würden westliche Politiker vermutlich begründen, warum sie der offen geäußerten Absicht nicht ebenso öffentlich widersprechen. Aber ist wirklich absolut auszuschließen, dass der Vertreibungsplan gelingt?

Die für die israelischen Geheimdienste zuständige Ministerin Gila Gamliel, Mitglied der Likud-Partei von Premierminister Benjamin Netanjahu, hat am Sonntag einen langen Meinungsartikel in der englischsprachigen Tageszeitung Jerusalem Post veröffentlicht, mit dem sie für die »Aussiedlung« von möglichst vielen Bewohnerinnen und Bewohnern des Gazastreifens wirbt. Vom Westen erwartet sie Aufnahmebereitschaft für Hunderttausende erzwungene Flüchtlinge und finanzielle Unterstützung.

Schon vor drei Wochen war eine in Gamliels Ministerium erstellte, auf den 13. Oktober datierte umfangreiche Studie bekanntgeworden, die die »Umsiedlung« der mehr als zwei Millionen Bewohnerinnen und Bewohner des Gazastreifens in den Nordteil der zu Ägypten gehörenden Sinaihalbinsel zum Gegenstand hat. Das vorgesehene Gebiet ist wüstenartig und kaum erschließbar. Bisher leben dort hauptsächlich Nomaden. Für eine wesentlich dichtere Besiedlung ist das Gebiet ungeeignet.

Vor drei Wochen versicherte die israelische Regierung, es handele sich um ein bedeutungsloses Papier aus einem unwichtigen Ministerium mit geringen praktischen Kompetenzen. Mehr als ein erster Testballon war diese Studie wohl wirklich nicht. Die jetzt veröffentlichten Vorschläge der Ministerin scheinen realistischer: Sie zielen klar erkennbar auf die »Umsiedlung« der Gazabevölkerung in wohlhabende westliche und arabische Länder ab.

Ihr Ministerium sei weit vorangekommen, behauptete Gamliel in der Jerusalem Post: »Einige Weltführer diskutieren schon über eine weltweite Flüchtlingsumsiedlung und sagen, dass sie Leute aus Gaza in ihren Ländern willkommen heißen würden.« Auch innenpolitisch sieht es angeblich gut aus: »Ich höre mit Freude, dass Knesset-Mitglieder quer durch das politische Spektrum, sowohl aus der Regierung als auch aus der Opposition, sich der Initiative meines Ministeriums angeschlossen und ihre Bereitschaft erklärt haben, diese zu unterstützen.«

Über Gamliels Aussagen würden wir gern mehr wissen. Konkret gilt für die deutsche Ampelregierung: Wer schweigt, stimmt zu.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (21. November 2023 um 06:54 Uhr)
    Flucht und Vertreibung sind in Berlin nur ein Thema, wenn es um Deutsche geht und dem bösen Russen damit nachträglich der Stinkefinger gezeigt wird. Wenn Israels Regierung erwägt, unmenschliche Ghettos in der Wüste zu schaffen, wäre ein Protest ja Antisemitismus. Das sind eben die hehren Werte, über die Frau Baerbock nicht oft genug weltweit dozieren kann.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Detlev R. aus Tshwane, Südafrika (20. November 2023 um 21:38 Uhr)
    Das ist doch eine ganz klare Ansage. Ethnische Säuberung des Gaza-Streifens. Danach steht das Tor weit offen für die Einverleibung ins israelische Staatsgebiets. Die so genannte Westbank ist bereits bantustanisiert. Illegale zionistische Siedler reißen sich täglich mehr palästinensisches Land unter den Nagel. Im Feuerschatten Gazas wurde auch dort in der Westbank der Terror gegen die palästinensische Bevölkerung verschärft. So können die theokratischen Ultrarechten in Israel ihr altes Ziel von Groß-Israel per Salamitaktik verwirklichen. Vom (Jordan-)Fluß bis zum (Mittel)Meer – »from the river to the sea«, wie ich in X-Posts von Netanyahu-Unterstützern las. (Ein alter Slogan der PLO. Zynismus ist dem rechtsradikalen Netanyahu-Regime ja nicht fremd.) Und der wahnsinnige Terroranschlag der Hamas vom 7. Oktober hat diese Entwicklung wie ein Brandbeschleuniger begünstigt.

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