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Aus: Ausgabe vom 21.11.2023, Seite 8 / Ausland
Kalter Putsch in Guatemala

»Das Volk hat verstanden, worum es hier geht«

Guatemala: Justiz verfolgt Studenten wegen Unibesetzung sowie die Semilla-Partei. Ein Gespräch mit Román Wilfredo Castellanos Caal
Interview: Thorben Austen, Quetzaltenango
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Hofft auf baldige Haftentlassung: Die am Donnerstag in Guatemala-Stadt festgenommene Marcela Blanco

In Guatemala hat die Staatsanwaltschaft am Donnerstag landesweite Hausdurchsuchungen und Festnahmen durchführen lassen, im Zusammenhang mit den Besetzungen der öffentlichen San-Carlos-Universität. Diese sind seit Monaten beendet. Die Behörde gab bekannt, gegen den designierten Staatspräsidenten Bernardo Arévalo von Ihrer Partei Movimiento Semilla, gegen seine Vizepräsidentin Karin Herrera, Sie selbst und fünf weitere Abgeordnete Ermittlungsverfahren einzuleiten. Welche Gründe nennt die Staatsanwaltschaft?

Ihre Motive sind die gleichen wie in den letzten Monaten der Kriminalisierungen und Angriffe auf unsere Partei: Der Staatsstreich soll vollzogen werden, mit dem Ziel, einen politischen Wandel in Guatemala zu verhindern. In diesem Fall nutzen sie jetzt die Aktivitäten der Studenten gegen die manipulierte Wahl des Universitätsrektors im vergangenen Jahr. Aktivitäten, die in keiner Beziehung zu unserer Partei stehen. Vorgeworfen wird uns unter anderem Plünderung von Kulturgütern und Aufruhr. Es sind konstruierte Vorwürfe.

Neben einem Studentenvertreter und drei Dekanen der Universität wurde auch ein Mitglied Ihrer Partei, die 23jährige Marcela Blanco, festgenommen. Sind Sie in Kontakt mit den Festgenommenen, wie geht es Ihnen?

Ja, wir sind in Kontakt. Sie sind am Donnerstag nachmittag in das Gefängnis Mariscal Zavala in der Hauptstadt in Untersuchungshaft überführt worden. Sie sind sehr besorgt. Auf der anderen Seite ist ihnen aber auch bewusst, dass die Vorwürfe konstruiert sind. Sie und wir gehen im Grunde davon aus, dass die Fälle nicht weiter verfolgt werden und eine baldige Haftentlassung ansteht.

Was plant Ihre Partei, um gegen die verschiedenen Formen der Kriminalisierung aktiv zu werden?

Die Kriminalisierung drückt sich unter anderem in der Suspendierung unserer Partei und in dem Entzug des Parteienstatus aus. Wir sind vorbereitet auf weitere Angriffe und in Gesprächen mit Vertretern verschiedener Sektoren der Gesellschaft.

In den vergangenen Monaten gab es gegen die Angriffe der Staatsanwaltschaft Massenproteste, Straßenblockaden und sogar ein Protestcamp vor dem Sitz der Justizbehörde in Guatemala-Stadt. Wie blicken Sie auf die Proteste?

Sie zeigen: Das Volk hat eindeutig verstanden, worum es hier geht, nämlich um einen Angriff auf die Demokratie. Die korrupte, etablierte politische Klasse will Veränderungen mit aller Kraft verhindern. Das Volk will aber einen Wechsel. Das hat es zunächst an den Wahlurnen und dann vor allem auf der Straße klar zum Ausdruck gebracht. Es gab in den vergangenen Monaten eine Mobilisierung wie vielleicht noch nie zuvor in Guatemala, entschlossener und robuster. Zwei Gruppen waren besonders wichtig: die jungen Menschen, auch schon bei der Wahl, und die indigenen Völker, die zu Protagonisten der Proteste geworden sind. Es ist eine partizipative Bewegung, sehr wichtig für unser Land.

Haben Sie Reaktionen anderer Staaten wahrgenommen?

Die internationalen Reaktionen sind sehr gut und wichtig. Verschiedene Staaten haben sich klar gegen die undemokratischen Vorgänge in Guatemala positioniert, darunter auch die USA und die Staaten der Europäischen Union. Die letzte Resolution der Organisation Amerikanischer Staaten, kurz OAS, haben zwanzig Staaten unterschrieben, die einzige Gegenstimme kam aus Guatemala. Wir bekommen international sehr viel Unterstützung, so haben wir mit spanischen Abgeordneten des nationalen Parlaments und des EU-Parlaments gesprochen.

In Deutschland sind wir in Kontakt mit der SPD. Wir haben mit Abgeordneten der Partei gesprochen, mit dem Abgeordneten des Deutschen Bundestages Frank Schwabe (Beauftragter der Bundesregierung für Religions- und Weltanschauungsfreiheit, jW) und anderen, sowie mit sozialdemokratischen deutschen Abgeordneten des EU-Parlaments. Schon mehrere Jahre sind wir in Kontakt mit der sozialdemokratischen Friedrich-Ebert-Stiftung in Deutschland, wir haben den Eindruck, dass diese Stiftung in Lateinamerika eine recht progressive Politik macht.

Román Wilfredo Castellanos Caal ist Abgeordenter der Partei Movimiento Semilla im Kongress Guatemalas

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