Ohne Warnung unter Beschuss
Von Karin Leukefeld
Nach der erzwungenen Teilevakuierung des Schifa-Krankenhauses in Gaza-Stadt am Sonnabend hat die israelische Armee am Montag auch das Indonesische Krankenhaus im Norden des Gazastreifens angegriffen. Bei dem Beschuss der Klinik mit Artillerie wurden nach Angaben des Klinikpersonals zwölf Personen getötet. Das Bombardement war Berichten zufolge so stark, dass die Leichen vor dem Gebäude nicht geborgen werden konnten.
Panzer und armierte Fahrzeuge der israelischen Armee rückten auf die Klinik in Beit Lahija vor, die 2016 mit Geld indonesischer Hilfsorganisationen gebaut worden war. Die Klinik verfügt über 700 Betten. Die indonesische Außenministerin Retno Marsudi verurteilte den Angriff als »eindeutige Verletzung des internationalen humanitären Rechts«. Alle Länder, besonders diejenigen, die enge Beziehungen mit Israel unterhielten, müssten Israel drängen, »diese Greueltaten zu stoppen«, so Marsudi.
Bei dem Angriff seien nach Berichten des Klinikpersonals gezielt der Eingangsbereich und die Fenster ins Visier genommen worden. Das Krankenhaus sei voller Patienten und Inlandsvertriebener, die dort Schutz gesucht hätten, sagte ein medizinischer Mitarbeiter dem katarischen Nachrichtensender Al-Dschasira. Alle seien zu ihrem Schutz im Zentrum des Gebäudes versammelt worden. Der Beschuss sei ohne Warnung erfolgt und habe die Chirurgie so schwer zerstört, dass chirurgische Eingriffe nicht mehr durchgeführt werden könnten. Das Klinikpersonal erbat Hilfe bei den Vereinten Nationen und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz.
Im Süden und im Zentrum des Gazastreifens kam es in der Nacht zu Montag zu weiteren Angriffen auf die Bevölkerung, während der Alltag in Gaza durch den Wintereinbruch erschwert wird. Heftige Regenfälle haben die Zeltstädte und Ruinen unter Wasser gesetzt. Die israelische Luftwaffe warf derweil erneut Flugblätter über Khan Junis im Süden Gazas ab. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, die Gebiete zu verlassen und sich andernorts in Sicherheit zu bringen.
UN-Mitarbeiter weisen darauf hin, dass es in Gaza keinen sicheren Ort gebe. Schulen, Krankenhäuser, Flüchtlingslager würden von der israelischen Armee bombardiert. Das UN-Hilfswerk für die palästinensischen Flüchtlinge hat 104 Mitarbeiter durch Angriffe der israelischen Armee verloren. Am Wochenende wurden erneut zwei Schulen des UN-Flüchtlingshilfswerks UNRWA bombardiert. Dabei kamen bis zu 50 Personen ums Leben.
Das palästinensische Gesundheitsministerium gibt die Zahl der Getöteten seit dem 7. Oktober mit mehr als 13.000 an, darunter mehr als 5.000 Kinder. Die Zahl der Vermissten, die bei Angriffen auf Wohngebäude oder Flüchtlingslager verschüttet und nicht geborgen werden konnten, liegt demnach bei mehr als 4.000.
Chinas Außenminister Wang Yi hat am Montag die Chefdiplomaten Saudi-Arabiens, Ägyptens, Jordaniens und der Palästinensischen Nationalbehörde in Beijing getroffen. Auch die indonesische Außenministerin nahm an dem Treffen teil. Man habe darüber gesprochen, wie der Gazakrieg so schnell wie möglich beendet werden könnte, sagte Wang. China werde alle Anstrengungen für einen sofortigen Waffenstillstand unterstützen. Ziel der arabischen Außenminister sei außerdem die Wiederaufnahme des politischen Prozesses für anhaltenden Frieden in der Region. Israel müsse für die Verbrechen im Gazastreifen und im besetzten Westjordanland zur Verantwortung gezogen werden, hieß es in einer Erklärung des saudischen Außenministeriums auf X. An diesem Dienstag wird sich die Delegation in Moskau mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow treffen. Die Reise ist eine Initiative der Arabischen Liga. Durch direkte Gespräche mit den fünf Außenministern der Vetomächte im UN-Sicherheitsrat soll ein sofortiger Waffenstillstand erreicht werden.
Südafrika, Bangladesch, Bolivien, die Komoren und Dschibuti haben vergangenen Freitag nach Algerien und weiteren Ländern beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag Klage gegen Israel wegen »Verbrechen gegen die Menschheit« eingereicht. Der IStGH bearbeitet bereits seit 2014 eine Anzeige gegen das Land.
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