»Wir existieren. Zweifellos«
Von Dominik Wetzel
Vergangene Woche haben die mexikanischen Zapatistas ihre Umstrukturierung bekanntgegeben. Passend zum 40jährigen Bestehen der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) erklären sie der Weltöffentlichkeit in einem gleichnamigen Kommuniqué nun die »neue Struktur der Zapatistischen Autonomie«. Der Schritt folgt auf die Bekanntgabe der Auflösung der »Rebellischen autonomen Landkreise« (Marez) und der »Räte der guten Regierung« Anfang November.
Die mexikanischen Rebellen sind spätestens seit ihrer Kriegserklärung gegen den mexikanischen Staat vom 1. Januar 1994 weltweit bekannt. Hintergrund war der Kampf gegen das Inkrafttreten des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA). Der Konflikt endete schnell in einem Waffenstillstand, mit dem die zapatistischen Gebiete im an Guatemala grenzenden Chiapas Autonomie erlangten. Doch der Frieden war stets brüchig. Zuletzt häuften sich Angriffe durch Paramilitärs und Kartelle in der Region. Auch die Schleuserkriminalität um Karawanen lateinamerikanischer Flüchtlinge verschlechterte die Sicherheitslage. Dies scheint der Hauptgrund für die jüngste Neustrukturierung gewesen zu sein, obwohl die Vorbereitungen dafür laut den Zapatistas bereits »drei Jahre« gedauert hätten.
In etwa einem Dutzend Kommuniqués erklären sie die Restrukturierung im Detail. So stehen drei Ideale im Vordergrund: Resilienz, Mitbestimmung und Herrschaftslosigkeit. An den aufgelösten Strukturen wird das Problem mangelnder Repräsentation kritisiert: »Die Vorschläge der Verantwortlichen gelangten nicht nach unten zu den Pueblos (Gemeinden, jW), wie auch die Meinungen der Pueblos nicht die Verantwortlichen erreichten.« Weiter heißt es, »die Verantwortlichen verfielen bereits darin, die Aufgaben und Entscheidungen als Marez und ›Räte der guten Regierung‹ selbst treffen zu wollen«. Verantwortliche ließen »Prinzipien des gehorchenden Regierens außer acht«, so dass die basisdemokratischen Strukturen darunter litten.
Aus diesem Grund sollen die Gemeinden und deren »Lokale Autonome Regierungen« (GAL) den »Kern, das Zentrum der gesamten zapatistischen Autonomie« darstellen, die der Vollversammlung der Orte unterstehe. Den Erklärungen zufolge wird die Selbstverwaltung nun kleinteiliger. Waren zuvor die Provinzen für die Verteilung der Ressourcen zuständig, sollen dies jetzt die Gemeinden übernehmen. Zu dieser Selbstorganisation gehören öffentliche Einrichtungen, aber auch die Beziehungen zu benachbarten nichtzapatistischen Dörfern. Gemäß ihren Bedürfnissen sollen verschiedene autonome Regierungen die »Kollektive der Zapatistischen Autonomen Regierungen« (CGAZ) einberufen können. In den Vollversammlungen der Verantwortlichen der Gemeinden sollen dann die »Pläne und der Bedarf in den Bereichen Gesundheitsversorgung, Bildung, ökologische Landwirtschaft, Gerichtsbarkeit, Handel – und was zukünftig noch gebraucht werden wird – vorgeschlagen, diskutiert, bestätigt oder verworfen« werden. Auf dieser Ebene befinden sich die Koordinatoren der oben genannten Bereiche.
Auch die Struktur der EZLN-Guerilla habe sich reorganisiert, um damit »die Verteidigung und Sicherheit der Dörfer und der Mutter Erde zu verstärken – im Falle von Aggressionen, Angriffen, Epidemien, Invasionen durch räuberische Unternehmen, partieller oder vollständiger militärischer Besatzung, Naturkatastrophen oder atomaren Kriegen«. Die Zapatistas versuchen nach eigenen Worten weitsichtig zu handeln. Ihre Schritte begründen sie damit, »dass all die kommenden sieben Generationen entstehen und leben können«.
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