Happyend in Hollywood
Von Alex Favalli
Und Action! Die Schauspielergewerkschaft SAG-AFTRA hat ihren mit 118 Tagen längsten Streik in der Geschichte Hollywoods am 9. November für beendet erklärt. Ihr Verhandlungsausschuss stimmte einer Vereinbarung mit den großen Produktionsstudios einstimmig zu. Das Abkommen hat zwei Säulen: einen beispiellosen Schutz der Darsteller vor dem Einsatz künstlicher Intelligenz und eine historische Lohnerhöhung. Die meisten Mindestlöhne werden um rund sieben Prozent angehoben – zwei Prozent mehr als bei der Writers Guild of America (WGA) und der Directors Guild of America (DGA).
Laut einer Mitteilung der SAG-AFTRA an die Mitglieder enthält der Vertrag auch eine »Streamingbeteiligungsprämie« sowie eine Erhöhung der Renten- und Krankenversicherungsbeiträge. »Wir haben einen Abschluss erzielt, der es den SAG-AFTRA-Mitgliedern aller Berufsgruppen ermöglicht, nachhaltige Karrieren aufzubauen«, so die Gewerkschaft in der Rundmail. »Tausende Künstler werden jetzt und in Zukunft von unserem Kampf profitieren.«
Ausschussmitglied Kevin E. West erklärte nach der Verabschiedung vor dem Gewerkschaftshaus in Los Angeles, es habe in dem Verhandlungsraum »Tränen der Freude und des Jubels« gegeben. Ben Whitehair, ebenfalls Mitglied des Ausschusses, bezeichnete die Einigung als »großen Sieg« für die Gewerkschaft. »Es ist unglaublich emotional«, sagte er. »Wir haben Geschichte geschrieben.« Das bezog er auf den »strukturellen Wandel« bei der Vergütung durch Streamingplattformen. Einzelheiten will die Gewerkschaft im Laufe dieser Woche bekanntgeben.
Am Schluss ging es in den Verhandlungen um komplizierte Regelungen zum Einsatz künstlicher Intelligenz. Letzte Details verabredeten per Zoom am 8. November Duncan Crabtree-Ireland, Verhandlungsleiter der Gewerkschaft, und Carol Lombardini, Geschäftsführerin der Alliance of Motion Picture and Television Producers. Deren Erklärung vom 8. November: »Die AMPTP ist erfreut, eine vorläufige Einigung erzielt zu haben und freut sich darauf, dass die Branche ihre Arbeit wieder aufnehmen kann, um großartige Geschichten zu erzählen«.
Dass der Streik dermaßen lange anhielt, lag allein an der harten Linie der Studios gegenüber SAG-AFTRA. Die Studios verfolgten monatelang eine Strategie des »Ausblutens«. Sie spielten auf Zeit und setzten darauf, dass Teile der Gewerkschaftsmitglieder aufgrund finanzieller Not ohne Abkommen zurück an die Arbeit gehen würden. Dank unvorhergesehener Solidarität löste sich dieses Kalkül in Luft auf.
Deshalb hatte die AMPTP angesichts massiver Profitverluste keine andere Wahl, als ihr »letztes, bestes und endgültiges« Angebot vorzulegen, das nun tatsächlich höhere Prämien für Schauspieler vorsieht. Die Gespräche sollen alles andere als einfach gewesen sein. Seit dem 24. Oktober saß der Verhandlungsausschuss oft mehr als acht Stunden am Stück mit den Studiovertretern am Tisch, darunter die vier CEOs der größten Studios, die höchstpersönlich an den Verhandlungen teilnahmen: Donna Langley von NBC Universal, Ted Sarandos von Netflix, David Zaslav von Warner Bros. Discovery und Iger von Disney .
Seit dem Streik der Drehbuchautoren (WGA) vor sechs Monaten ist der Großteil der Fernseh- und Filmproduktion zum Erliegen gekommen. Mitte Juli hatte sich die 160.000 Mitglieder starke Schauspielergewerkschaft den Streikposten angeschlossen. Bis auf eine relativ kleine Anzahl unabhängiger Produktionsfirmen wurde alles lahmgelegt.
Zuletzt hatten die Studios gewarnt, dass die TV-Saison 2023/2024 und die Kinosaison im kommenden Sommer ohne baldige Einigung auf der Kippe stünden. Ende gut, alles gut? SAG-AFTRA hat bei diesem Streik jedenfalls eine Solidarität erfahren, die Hollywood abhandengekommen war. Nun steht die Gewerkschaft mit neuem Selbstbewusstsein da, und kündigt an, den Kampf in den nächsten Jahren fortzuführen.
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