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Aus: Ausgabe vom 20.11.2023, Seite 6 / Ausland
Lateinamerika

Großer Gesprächsbedarf

Kolumbien: Regierung fordert von ELN-Guerilla Abkehr von Entführungen zur Finanzierung des Krieges. Zukunft der Friedensverhandlungen ungewiss
Von Frederic Schnatterer
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Glückliches Ende des Geiseldramas: Luis Manuel Díaz nach seiner Freilassung (Valledupar, 9.11.2023)

Das Fußballänderspiel der Männer zwischen Kolumbien und Brasilien am Donnerstag abend hatte einen hohen Symbolwert w– nicht nur wegen seines Ergebnisses. 2:1 gewann die Heimmannschaft im karibischen Barranquilla gegen den Rekordweltmeister. Im Zentrum des öffentlichen Interesses stand allerdings der Schütze beider Treffer, Luis Díaz, sowie sein Vater Luis Manuel Díaz, der sichtlich gerührt auf der Tribüne saß. Nur eine Woche zuvor war »Mane« Díaz freigelassen worden, nachdem er von der Guerilla Nationale Befreiungsarmee (Ejército de Liberación Nacional, ELN) für zwölf Tage festgehalten worden war.

Der prominente Entführungsfall machte weltweit Schlagzeilen – und ließ die Debatten über die Praxis der Guerilla neu aufflammen. So weit, dass die kolumbianische Regierung von Gustavo Petro am Donnerstag einen Brief an die Delegation der ELN schickte, mit der sie derzeit in Friedensverhandlungen steht. Wie mehrere Medien berichteten, forderte sie darin von den Rebellen »angesichts der Ablehnung und Empörung der nationalen und internationalen Öffentlichkeit« ein dringliches außerordentliches Treffen zu dem Thema.

Das Treffen, berichtete beispielsweise die kolumbianische Tageszeitung El Espectador am Donnerstag, solle noch vor Beginn der nächsten Verhandlungsrunde an diesem Montag in Mexiko über die Bühne gehen. Seit einem Jahr sprechen die kolumbianische Regierung und die Guerilla miteinander über einen möglichen Frieden. Seit dem 3. August gilt zwischen ELN und Armee ein zunächst auf sechs Monate begrenzter bilateraler Waffenstillstand.

Zudem forderte die Regierung die Guerilla in der vergangenen Woche dazu auf, die Entführungen von Zivilisten einzustellen und alle Gefangenen – laut Bogotá derzeit insgesamt 19 Personen – freizulassen. Erst dann könne weiter über einen möglichen Frieden verhandelt werden. Am Rande des Gipfels der Asiatisch-pazifischen Wirtschaftskooperation in San Francisco betonte Petro, die ELN müsse ihre »Feindseligkeiten« gegenüber der Zivilbevölkerung einstellen: »Es gibt ein grundlegendes Problem, nämlich die Entführungen, die nach internationalem Recht geächtet sind.« Auch Praktiken wie Erpressung, Rekrutierung Minderjähriger oder Vertreibung müssten beendet werden.

Der Graben zwischen ELN und Regierung ist wieder deutlich tiefer geworden. Am vergangenen Montag meldete sich der Comandante der Guerilla, Eliécer Herlinto Chamorro alias Antonio García, auf der Plattform X zu Wort. Die Entführung von Zivilisten rechtfertigte er dabei als für die Finanzierung der Guerilla notwendig. So verfüge der Staat über Steuereintreiber, »um seinen Krieg fortzuführen, während er versucht, uns in den wirtschaftlichen Würgegriff zu nehmen«. »Alle ELN-Strukturen sind darauf ausgerichtet, militärische Operationen durchzuführen, um sich zu finanzieren. Wir finanzieren uns nicht über den Drogenhandel, wie die Mehrheit der Kolumbianer sind wir arm, und wir schämen uns nicht dafür«, sagte Chamorro weiter.

In einer weiteren Nachricht betonte der Comandante, dass »der Waffenstillstand noch immer nur vorübergehend ist und sich nur auf offensive Operationen bezieht«. Man könne von der Guerilla zum jetzigen Zeitpunkt nicht verlangen, sich aufzulösen oder die Waffen abzulegen, da bei den Verhandlungen noch keine Einigung dazu erzielt worden sei, welche Veränderungen in Kolumbien wie angegangen werden müssten.

Semanario Voz, die Wochenzeitschrift der Kommunistischen Partei Kolumbiens, kritisierte die »erpresserischen und wirtschaftlichen Entführungen« am Mittwoch als »inakzeptabel« und erklärte, sie schadeten den Friedensverhandlungen. Die Praxis sei ein gefundenes Fressen für die bürgerliche Presse, die »jeden Fehler oder Irrtum einer der beiden Parteien ausnutzt, um den vollumfänglichen Frieden zu delegitimieren«, heißt es weiter. Präsident Petro war sein Amt im August des vergangenen Jahres mit dem Versprechen angetreten, das seit Jahrzehnten unter einem bewaffneten Konflikt leidende Kolumbien zu befrieden, wofür er den Begriff des »vollumfänglichen Friedens« schuf. Ziel ist es, mit allen im Land aktiven bewaffneten Akteuren Verhandlungen zu führen.

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