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Aus: Ausgabe vom 18.11.2023, Seite 4 (Beilage) / Wochenendbeilage
Lateinamerika

Vor der Richtungswahl

Argentinien: Ein Sieg des Kandidaten der Ultrarechten am Sonntag könnte eine Katastrophe für die Frauen bedeuten
Von John McAulay
Myriam Bregman, Kandidatin der »Front der Linken und der Arbeiter«, nach der Stimmabgabe in der ersten Runde der Wahlen. Die Rechte der Frauen standen ganz oben auf der Prioritätenliste der Koalition (Buenos Aires, 22.10.2023)
Analía Mas, eine feministische Anwältin, die an der »Nationalen Kampagne für sichere, freie und legale Abtreibung« beteiligt war, vor dem argentinischen Kongress, wo sich zuvor zahlreiche Aktivisten versammelt hatten, um die Politiker zur Verabschiedung des Gesetzes zu bewegen. Die Bewegung hatte ein grünes Kopftuch als Zeichen, das Mas um ihren Hals trägt (Buenos Aires, 25.10.2023)
Zwei Frauen heben während des Streiks und der Demonstration zum Internationalen Frauenkampftag singend ihre Hände (Buenos Aires, 8.3.2023)
Eine Gruppe junger Frauen marschiert im Rahmen der Kundgebung zum Frauenkampftag von der Avenida 9 de Julio zum Nationalkongress. Einer der Slogans der Veranstaltung lautet: »Wir wollen lebendig, frei und ohne Schulden sein«. Das bezieht sich auf den Kredit, den Argentinien beim Internationalen Währungsfonds aufgenommen hat, den größten in der Geschichte des IWF (­Buenos Aires, 8.3.2023)
Tausende Frauen marschieren anlässlich des Internationalen Frauenkampftags unter dem Motto »Mit diesem Justizsystem gibt es keine Rechte und keine Demokratie« zum Nationalkongress (Buenos Aires, 8.3.2023)
Eine Gruppe junger Leute versammelt sich in der Parteizentrale der Union por la Patria. Der Präsidentschaftskandidat der Regierungspartei, Sergio Tomás Massa, erhielt bei den Parlamentswahlen 36,7 Prozent der Stimmen und belegte damit den ersten Platz, gefolgt vom extrem rechten Javier Milei mit 30 Prozent (Buenos Aires, 22.10.2023)

Es geht um nichts Geringeres als die Seele Argentiniens. Diesen Sonntag findet in dem südamerikanischen Land die Stichwahl um das Präsidentenamt statt. Sergio Massa, der Führer einer Mitte-links-Koalition, tritt gegen Javier Milei an, einen extrem rechten »Anarchokapitalisten«. Milei hat die politische Szene erschüttert, indem er sich in seiner Rhetorik die katastrophale wirtschaftliche Lage des Landes zunutze gemacht hat, die durch eine verheerende Hyperinflation verursacht wurde. Es handelt sich um die wichtigste Wahl seit Jahrzehnten, bei der sich zwei Kandidaten mit gegensätzlichen Visionen gegenüberstehen, die über wirtschaftliche Fragen weit hinausgehen.

Einer der sichtbarsten Streitpunkte ist die Frage der Frauenrechte. Milei hat bereits versprochen, das kürzlich geschaffene Ministerium für Frauen, Geschlechter und Vielfalt wieder zu schließen, was laut Kabinettschefin Erica Laporte »katastrophal« wäre. Die derzeitige Mitte-links-Regierung habe bei der Eroberung neuer Rechte für Frauen eine Vorreiterrolle gespielt. Laporte warnt, dass ein Regierungswechsel einen Rückschritt bedeuten könne: »Es gibt ein Gefühl unter den Wählern, dass diese Rechte nicht verlorengehen, selbst wenn Milei gewinnt. Ich denke aber, wir müssen uns daran erinnern, dass sie uns nicht auf magische Weise gegeben wurden, sondern dass wir für sie kämpfen mussten.« Auch Analía Mas, Anwältin und Veteranin der Frauenbewegung, appelliert an die Wähler, sich klarzumachen, dass sie keinen Einfluss mehr darauf haben werden, welche Politik der künftige Präsident schließlich umsetze. »Milei hat gefährliche Vorschläge, die über wirtschaftliche Aspekte hinausgehen, und er wird sich nicht scheuen, sie umzusetzen«, warnt sie.

Milei hat außerdem angekündigt, dass er im Falle seiner Wahl ein Referendum zur Abschaffung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch abhalten will. Das Recht auf freien Schwangerschaftsabbruch stand jahrelang an der Spitze der Forderungen der starken argentinischen Frauenbewegung, bis Abbrüche 2020 endlich entkriminalisiert wurden. »Es war ein schöner Moment, anders kann man es nicht beschreiben«, erinnert sich die 25jährige María in Buenos Aires. Wie viele andere macht sie sich Sorgen, dass ein Sieg des extrem rechten Kandidaten einen großen Rückschritt bedeuten würde. »Was mir am meisten Angst macht, ist, dass die Gewalt gegen Frauen zunehmen wird«, sagt sie. »Es gibt eine Reihe von Männern, die sich durch Mileis Hassreden zu gewalttätigen Handlungen ermutigt fühlen.«

Im Gegensatz zu Milei, dem sich bereits zahlreiche Frauen in Protestmärschen entgegengestellt haben, hat der Peronist Sergio Massa eine breite Unterstützung der Frauenbewegung gewonnen und sich als jemand präsentiert, der den Kampf für neue Rechte fortsetzen wird. In der Präsidentschaftsdebatte vom vergangenen Wochenende im öffentlichen Fernsehen rief der Mitte-links-Kandidat seinem Gegner Milei öffentlich zu, er solle »aufhören, Frauen gegenüber respektlos zu sein«. Massa hofft nun, dass die Gefahr eines Wahlsiegs der extremen Rechten ausreicht, um die weiblichen Wähler zu mobilisieren und ihn am Sonntag bei den Präsidentschaftswahlen über die Ziellinie zu bringen.

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