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Aus: Ausgabe vom 18.11.2023, Seite 3 / Schwerpunkt
Feindbild Fußballfan

»Echte Fans werden nicht stigmatisiert«

Polizeiproblem im Stadion: Einsätze mit Kollateralschäden. Ein Gespräch mit Rainer Wendt
Von Oliver Rast
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Klare Botschaft aus der aktiven Fanszene: Für eine polizeifreie Zone in den Blöcken (Bremen, 12.11.2023)

Ein neues Wort geht durch die Medienwelt: »Fußballkriminelle«. Wer ist damit gemeint?

Der Begriff »Fußballkriminelle« wird simplifizierend für Menschen gebraucht, die nicht nur gelegentlich im Rahmen von Hochrisikospielen rund um die Stadien, aber auch in den Stadien durch Begehung von Straftaten verschiedenster Art auffallen. Das sind im wesentlichen Körperverletzungsdelikte, Sachbeschädigungen, Nötigungstatbestände und Bedrohungen. Von Straftätern, die nur in Einzelfällen einschlägige Taten begehen, unterscheiden sie sich durch ihre dauernd hohe Gewaltbereitschaft und ständige Bereitschaft, auch mit Ordnungskräften sowie der Polizei die Auseinandersetzung förmlich zu suchen. Zudem gehen sie mit grober Gewalt gegen Fans anderer Vereine vor.

Aber, stigmatisiert der Begriff nicht Fans?

Echte Fans des Fußballs werden durch den Begriff nicht stigmatisiert, weil sie nicht kriminell sind, sondern bei aller Leidenschaft für ihren Verein stets friedlich und ohne Gewalt für Stimmung sorgen. Sie tragen teilweise großartige Choreographien vor und haben ein insgesamt positives Verhältnis zu den Regeln innerhalb und außerhalb des Stadions. »Stigmatisiert« fühlen sich entweder die Störer selbst oder diejenigen, die immer wieder Verständnis aufbringen, verharmlosen und relativieren.

Hat sich die Sicherheitslage in den Stadien verschärft?

Nein, die Sicherheitslage in den Profiligen hat sich grundsätzlich sogar verbessert. Das Konzept »Sichereres Stadionerlebnis« der DFL hat sehr dazu beigetragen, dass die Stadionsicherheit professioneller gemanagt wird, als noch vor etlichen Jahren. Es wurden mehr Ordnungskräfte eingestellt und deren Professionalität verbessert, moderne Kameratechnik installiert und konsequente Stadionverbote ausgesprochen. Die Kehrseite ist leider, dass sich die Lage in den unteren Spielklassen verschlechtert hat. Die Arbeit für die Polizei ist dadurch im Ergebnis nicht weniger geworden.

Fanvertreter kritisieren den Einsatz von Pfefferspray im Stadion. Und Sie?

Der Einsatz polizeilicher Hilfsmittel für die Anwendung von unmittelbarem Zwang ist immer umstritten, auch beim Thema Pfefferspray. Die Anwendung ist gesetzlich geregelt und zulässig, auch in vollbesetzten Stadionblöcken. Und zwar dann, wenn polizeiliche Zwangsmaßnahmen anders nicht durchzusetzen sind oder dies zur Abwehr von Gefahren für die Einsatzkräfte selbst erforderlich ist. Gelegentlich ist es unvermeidbar, dass auch Einsatzkräfte in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn etwa der Wind in Richtung der Beamtinnen und Beamten dreht. Trotz dieses Risikos ist der Einsatz von Pfefferspray ein erprobtes und regelmäßig wirkungsvolles Einsatzmittel. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass gelegentlich unbeteiligt wirkende Menschen vor Ort davon betroffen sind. Das ist weder vorhersehbar noch immer vermeidbar.

Rainer Wendt ist Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft im Deutschen Beamtenbund

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