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Aus: Ausgabe vom 16.11.2023, Seite 1 / Titel
Nahostkonflikt

Krankenhaus als Ziel

Krieg gegen Gaza: Schifa-Spital im Mittelpunkt der Kämpfe. Mutmaßliche Hamas-Zentrale darunter soll Angriff rechtfertigen
Von Karin Leukefeld
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Israelische Soldaten durchkämmen das Al-Schifa-Krankenhaus (Gaza-Stadt, 15.11.2023). Aufnahme der israelischen Armee, Ausschnitt

Seit 40 Tagen bombardiert die ­israelische Armee aus der Luft, vom Meer und mit Artillerie den dichtbesiedelten Gazastreifen. Die Zahl der Toten wurde vom palästinensischen Gesundheitsministerium zuletzt mit 11.400 angegeben, mehr als zwei Drittel sind Kinder und Frauen.

In der Nacht zu Mittwoch stürmten israelische Bodentruppen das Schifa-Krankenhaus im Norden von Gaza-Stadt. Zuvor hatte die israelische Armeeführung Ärzte in der Klinik telefonisch über den bevorstehenden Angriff informiert. Der Arzt Munir Al-Barsch, dessen Telefonat online verbreitet wurde, hatte das Ansinnen der israelischen Armee zurückgewiesen. Alle Flure in dem sechsstöckigen Krankenhaus seien voller Menschen, Patienten und Inlandsvertriebenen. Selbst der Operationssaal sei überfüllt. Sollten die Truppen in das Krankenhaus kommen, werde das Angst und Hysterie auslösen.

In dem einst modernsten und größten Krankenhauskomplex des belagerten palästinensischen Küstenstreifens hielten sich zum Zeitpunkt der Erstürmung nach Angaben des Arztes Ahmed Mokhallalati 650 Patienten auf, darunter 100 in kritischem Zustand. 700 Ärzte und Pflegepersonal seien in der Klinik, zudem bis zu 3.000 Vertriebene, die Zuflucht gesucht hätten. Von allen Seiten seien Schüsse zu hören, sagte der Chirurg im Gespräch mit dem katarischen Nachrichtensender Al-Dschasira.

Unbestätigten Angaben zufolge hätten die israelischen Soldaten alle Räume durchsucht und Material abtransportiert. Ärzte und Pflegepersonal wurden einzeln befragt. Die israelische Armeeführung und Regierung behaupten, das Schifa-Krankenhaus beherberge die Kommandozentrale der Hamas. Belege dafür gibt es nicht. Das Krankenhauspersonal hat ebenso wie die Hamas die Anschuldigungen zurückgewiesen.

Erste Bilder aus dem Krankenhaus zeigen eine Spur der Verwüstung. Hinweise auf Hamas oder Geiseln fanden sich bis Redaktionsschluss nicht. Auslöser der Erstürmung der Klinik durch die israelische Armee war eine Erklärung von John Kirby, Sprecher des US-amerikanischen Nationalen Sicherheitsrates, am Dienstag. Danach verfüge der US-Geheimdienst über »Informationen, dass Hamas und der Palästinensische Islamische Dschihad einige Krankenhäuser im Gazastreifen, auch Al-Schifa, benutzten und von Tunneln unter diesen aus ihre militärischen Operationen durchführen und dort Geiseln festhalten«. Kirby gab das bekannt, während er mit US-Präsident Joseph Biden im Flugzeug »Air Force One« auf dem Weg zum APEC-Gipfel in San Francisco war. Biden selbst hatte zuvor wiederholt erklärt, dass das Krankenhaus geschützt werden müsse.

Seit Tagen waren die israelischen Bodentruppen auf das Krankenhaus vorgerückt. Dabei wurden Mörsergranaten und Raketen eingesetzt. Dutzende Menschen kamen in den Räumen der Ambulanz und der kardiologischen Abteilung ums Leben. Bei Explosionen auf Parkplätzen der Klinik, wo Hunderte Menschen in Zelten Zuflucht gesucht hatten, wurden mindestens 13 Menschen getötet. Am Dienstag meldete das Krankenhaus, man bereite auf dem Klinikgelände ein Massengrab für 120 Tote vor.

Das Dar-Al-Schifa-Hospital, das »Haus der Heilung«, war unter der britischen Mandatsregierung 1946 gebaut worden. Die Klinik wurde unter ägyptischer Kontrolle und – nach 1967 – unter israelischer Besatzung in den 1980er Jahren erweitert. Neben palästinensischen arbeiten auch viele ausländische Ärzte in dem Krankenhaus.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (16. November 2023 um 16:46 Uhr)
    Als Russland ein Einkaufszentrum attackierte, in dem erkennbar Militärfahrzeuge und Militärs stationiert waren, war das ein »durch nichts zu rechtfertigendes Verbrechen«. Wenn die israelischen Streitkräfte ein überfülltes Krankenhaus in Schutt und Asche legen, dann ist das – so wird uns suggeriert – ein gerechtfertigter Angriff auf militärische Infrastruktur. Man möchte darüber weinen, für wie blöd uns unsere Leitmedien immer öfter halten, wenn sie gehorsam den amtlichen Vorgaben der Kriegsberichterstattung folgen. »Der Wahrheit verpflichtet« darf man getrost durch »Zur Lüge verdammt« ersetzen.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (15. November 2023 um 20:09 Uhr)
    Es ist schon interessant, welch zuverlässige Erkenntnisse amerikanische Geheimdienste durchweg haben. Wann kommt die Verlautbarung, die Hamas baue Massenvernichtungswaffen, z. B. Milzbrand in Kliniklaboren. Man erinnere sich an Irak, Afghanistan, Syrien … Zum Glück(?) sind die deutschen Geheimdienste nicht besser.
    • Leserbrief von Reinhold Schramm aus 12105 Berlin (16. November 2023 um 17:17 Uhr)
      Ist denn die Entführung von Besuchern des Musikfestivals und von Bewohnern aus israelischen Ortschaften nur eine Halluzination der pro israelischen Propaganda; um die lieben Opfer der palästinensischen Hamas und »Befreiungsbewegung« zu diskreditieren?
      • Leserbrief von Onlineabonnent/in Marian R. (17. November 2023 um 11:43 Uhr)
        Nein – ebensowenig wie der israelische Besatzungsterror seit 1967 – seit 56! Jahren. Sind Sie geschichtsvergessen – oder vergessen Sie absichtlich Ursache und Folge? Wenn Israel die Besatzung beendet, dann verliert die Hamas ihre wichtigste Kraftquelle – den berechtigten Hass der Paläsatinenser.

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