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Aus: Ausgabe vom 15.11.2023, Seite 2 / Ausland
Wahlen in Argentinien

»Seine Lösungen sind unmöglich und unmenschlich«

Über die Krise des Peronismus und die richtige Strategie gegen den Kandidaten Javier Milei. Ein Gespräch mit Juan Grabois
Interview: Torge Löding
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Gegen beide Präsidentschaftskandidaten – Sergio Massa und Javier Milei – wird in Argentinien immer wieder protestiert (Buenos Aires, 14.9.2023)

Für die peronistische Koalition tritt bei der Stichwahl am 19. November der amtierende Wirtschaftsminister Sergio Massa als Präsidentschaftskandidat an. Bei den Vorwahlen sind Sie gegen ihn angetreten. Was hat das gebracht?

Unser Programm »Argentina Humana« ist ein Vorschlag für eine menschenwürdige Entwicklung unseres Landes und ein lateinamerikanisches Integrationsprojekt und konnte fast 1,5 Millionen Stimmen gewinnen. Wir schlagen konkrete Maßnahmen vor, um die Realität der Mehrheit der Argentinier zu verändern und eine Perspektive der Würde, des Wohlstands und des Glücks für unser Volk zu entwerfen. Grund und Boden, Wohnung, Arbeit, Gesundheit, Bildung, Sicherheit, Gerechtigkeit – diese Forderungen habe ich Massa noch in der Nacht der Vorwahlen auf der Bühne übergeben und er hat zugesagt, Teile davon zu übernehmen. Das verstehen wir nicht als Zugeständnis, sondern als Erfolg des politischen Drucks, den wir ausgeübt haben.

Nun gilt Massa als Kandidat Washingtons und Mann des IWF. Gibt es mit ihm als Präsident eine Alternative zu den Strukturanpassungsmaßnahmen, und haben die BRICS+ eine Zukunft?

Ich bin der Meinung, dass die Vereinbarung mit dem IWF gekündigt und eine Schuldenuntersuchung eingeleitet werden sollte, da diese Vereinbarung nicht nur illegitim, sondern auch illegal ist, wie der IWF selbst sagt. Es gibt viele Hinweise darauf, dass der Kredit von Donald Trump ermöglicht wurde, um Mauricio Macri zum Wahlsieg zu verhelfen.

Die Außenpolitik des peronistischen Bündnisses setzt auf internationale Mechanismen wie BRICS+ und damit ist der Unterschied zu den antikommunistischen Vorstellungen von Javier Milei riesengroß, der die Beziehungen zu unseren wichtigsten Handelspartnern Brasilien und China abbrechen möchte. Und was noch schlimmer ist: Er will unser Land durch die Einführung des US-Dollars in eine nordamerikanische Kolonie verwandeln.

Egal, wie die Wahlen ausgehen, das ultrarechte Lager ist in Argentinien gestärkt. Mit welcher Strategie gehen Sie dagegen vor?

Die Existenz eines falschen Propheten wie Milei ist darauf zurückzuführen, dass das gesamte argentinische politische System und unsere Demokratie sehr schwerwiegende Mängel aufweisen, was die Schulden betrifft und was die Verteilung des Reichtums angeht, die extreme Ungleichheit und die Fähigkeit, konkrete Probleme unserer Bevölkerung zu lösen: In Argentinien ist Boden nicht knapp, aber wir haben Probleme mit Wohnungen. Lebensmittel werden produziert, aber wir haben die höchste Not seit der Rückkehr zur Demokratie (von 1976 bis Ende 1983 herrschten faschistische Militärs, jW). Obwohl wir »Volksregierungen« hatten, ist der Staat weiterhin neoliberal. Dass breite Teile der Gesellschaft keine Rechte haben, erzeugt eine Situation, von der Milei profitieren konnte.

Deshalb richtet sich die Strategie nicht gegen ihn, sondern gegen die schrecklichen Bedingungen, unter denen ein großer Teil unseres Volkes lebt, denn Milei hat ja recht, wenn er die Privilegien der politischen Kaste und die Korruption anprangert. Das Problem ist, dass seine Lösungen unmöglich und unmenschlich sind.

Der Peronismus steckt in der Krise. Welche Chancen sehen Sie für Kräfte wie »Frente Patria Grande«, in Zukunft mehr Einfluss zu gewinnen?

Chávez sagte einmal: »Wenn du die Armut beseitigen willst, dann gib den Armen die Macht«. Ich glaube, dass wir gute Chancen haben, den politischen Ton anzugeben, denn die künftige Regierung dieses Landes wird die Probleme nicht lösen. Sie wird den Plänen der USA dienen, die Zugriff auf unser Wasser, unser Lithium, unseren Treibstoff haben wollen. Dagegen wird sich Widerstand formieren.

Es ist unsere Aufgabe, dieser Ausplünderung Grenzen zu setzen. Dafür braucht es keine Revolution, nur ein wenig politischen Willen und Intelligenz, denn wer auch immer in den nächsten Jahren regieren will, muss unserem Volk Rechte zugestehen, sonst wird die Situation unhaltbar. In der Zwischenzeit werden wir uns darauf vorbereiten, zukünftig mit unserem nationalen, volksnahen, lateinamerikanischen und humanistischen Programm zu regieren. Vielleicht schon früher, als wir denken.

Juan Grabois ist Gründer der linksperonistischen »Frente Patria Grande« und der Gewerkschaft der prekär Beschäftigten UTEP

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