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Aus: Ausgabe vom 08.11.2023, Seite 8 / Ansichten

Feind der Rätemacht des Tages: Jeremy Corbyn

Von Nico Popp
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Keine (Volks-)Bühne für den linken Labour-Politiker: Jeremy Corbyn, hier als Redner bei einer palästinasolidarischen Kundgebung in London (14.10.2023)

Der in den Mantel der Radikalität geschlüpfte »linke« Liberale ist ein zäher Sozialtypus. Man trifft ihn, obwohl eine relevante politische Linke, von der er intellektuell zehrte, längst nicht mehr existiert, an Universitäten, im Kulturbetrieb, in Parteien – den Überbauarbeiter, der meint, er habe mit den ganzen bürgerlichen Schweinereien nichts zu tun, obwohl die Dachgeschosswohnung bald abbezahlt ist und der Essayband bei Suhrkamp in Vorbereitung.

Die Pose hält allerdings die – seltene – Konfrontation mit realen Kämpfen, in denen der Staat klarstellt, was für eine Linie zu fahren ist, nicht aus. Gerade ist das in Berlin zu studieren. Dort soll ab diesem Mittwoch unter dem kecken Titel »Europa den Räten!« eine »große Beratung über die brennenden Fragen der Gegenwart« stattfinden. Ausrichter ist die Rosa-Luxemburg-Stiftung, Ort der Handlung die Volksbühne. Eingeladen sind vor allem Figuren aus dem politisch-ideologischen Universum der Linkspartei. Irgendwer muss gedacht haben, dass das noch gefehlt hat: die Aneignung des Rätebegriffs durch bankrotte Parlamentslöwen im »Gesellschaftsrat an der Volksbühne«.

Dann kam der neue Krieg in Nahost. Blöd war da, dass mit Jeremy Corbyn auch jemand angekündigt wurde, der sich partout nicht einleuchten lässt, dass der Leichenberg, den die Hamas am 7. Oktober in Israel hinterlassen hat, als Argument für den noch höheren Leichenberg taugt, den der israelische Staat in Gaza auftürmt. Am Dienstag war dem ND zu entnehmen: Corbyn wurde wegen seiner »propalästinensischen Positionen« wieder ausgeladen. Auf Initiative der Volksbühne. Aber umgesetzt hat es die nach der Gründerin der KPD benannte Stiftung ohne Murren. Vielleicht ist ja kurzfristig Keir Starmer verfügbar. Der Labour-Chef könnte nach dem »Gesellschaftsrat« schnell noch ins Karl-Liebknecht-Haus rüberkommen – zum Erfahrungsaustausch darüber, wie man eine linke Partei auf liberal umkrempelt, ohne sie zu versenken. Das ist dort die »brennende Frage«.

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Die junge Welt ist oft provokant, inhaltlich klar und immer ehrlich. Als einzige marxistische Tageszeitung Deutschlands beschäftigt sie sich mit den großen und drängendsten Fragen unserer Zeit: Wieso wird wieder aufgerüstet? Wer führt Krieg gegen wen? Wessen Interessen vertritt der Staat? Und wem nützen die aktuellen Herrschaftsverhältnisse? Kurz: Wem gehört die Welt? In Zeiten wie diesen, in denen sich der Meinungskorridor in der BRD immer weiter schließt, ist die junge Welt unersetzlich.

  • Leserbrief von Bettina Goebel aus Goslar (8. November 2023 um 02:20 Uhr)
    Die Volksbühne, eine nicht-rechtsfähige (Irren)-Anstalt des Landes Berlin. Die Theaterleitung verhält sich wie ein Kapitalist, der allen eine Lektion in Privateigentum erteilt. Sie übt das Hausrecht aus. Nicht dass die Spaßvögel tatsächlich Eigentümer des Theaters sind, sie dürfen dort nur arbeiten und Steuergeld ausgeben, aber sie zeigen allen, dass sie um keinen Deut besser sind als ein beliebiger adliger Gutsherr der Feudalzeit. Da sich das Theater im Eigentum der Stadt befindet, fragt sich, wer da aus dem Berliner Politsumpf auch die Finger im Spiel hat. An den Aussagen Jeremy Corbyns zum Krieg in Israel und Gaza gibt es nichts zu bemängeln, im Gegenteil. Aber er hat wohl in seiner Rede in London auf der großen Solidaritäts- und Antikriegsdemo vor drei Wochen den Fehler gemacht, die britische Regierung aufzufordern, keine Kriegsverbrechen stillschweigend zu billigen. Nicht auszudenken, wenn das in Berlin am 25. November 2023 Schule machte, und die Demonstranten das gleiche Anliegen an die Ampel adressieren. Alleine das Wort »Kriegsverbrechen« jagt doch jedem Staatsräsonisten entsetzliche Schauer durch das reine Gewissen, mit dem er oder sie in feinster Nibelungentreue zum Staat Israel steht. Dass dort mittlerweile etwas sehr faul ist, wird nun der Weltöffentlichkeit jeden Abend demonstriert. Die RLS und die Restelinke sind wirklich fleißig, wie sie lauter kleine Bleinägel in den Sarg der Partei hämmern, damit die auch wirklich in der Güllegrube ihrer Selbstgerechtigkeit und ihres politischen Wolkenkuckucksheims ersäuft. Wir brauchen diese Partei nicht mehr.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (7. November 2023 um 20:37 Uhr)
    Wie man vom Löwen zum Bettvorleger wird, da braucht die PdL samt ihrer Stiftung (wie lange noch, droht das ND-Schicksal?) keine Nachhilfe von Starmer. Selbst ist die Frau! Man könnte den kecken Titel der Beratung realistischer umformulieren: »Europa den Ratten«. Der Labour-Chef könnte dann als Gesellschaftsratte ins Karl-Liebknecht-Haus rüberkommen. Oder, um mit Sir Winston Spencer Churchill zu sprechen, als ein Schaf im Schafspelz.

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