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Aus: Ausgabe vom 06.11.2023, Seite 16 / Sport
Fußball

Freudentaumel in Rio

Copa Libertadores: Zum Finale zwischen Fluminense und Boca Juniors
Von André Dahlmeyer, Rio de Janeiro
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Fluminense gewinnt erstmals Copa Libertadores (Rio de Janeiro, 4.11.2023)

Die Copa Libertadores ist das wichtigste kontinentale Vereinsfußballturnier Südamerikas, mindestens. Der Wettbewerb wird von der Südamerikanischen Fußballkonföderation (Conmebol) ausgerichtet. Erster Gewinner war 1960 der CA Peñarol aus Montevideo. Da hieß das Turnier noch Copa de Campeones de América. 1965 adoptierte die Copa zu Ehren der Kommandanten in den Unabhängigkeitskriegen (Simón Bolívar, José de San Martín, Bernardo O’Higgins, José Artigas u. a.) gegen die Usurpatoren der spanischen Krone den Namen Libertadores (Befreier).

Vorgeschichte

Zwischen 1916 und 1947 ermittelten zumeist die Meister Argentiniens und Uruguays in der Copa Aldao, auch bekannt als Copa Río de la Plata, den jeweiligen Gewinner. Es waren die ersten internationalen Pflichtspiele zwischen Teams aus verschiedenen Ländern des Kontinents. In den 1930er Jahren kam erstmals eine Diskussion darüber auf, einen kontinentalen Vereinswettbewerb zu organisieren, befeuert durch die 1930 in Uruguay ausgetragene Fußball-WM. Heraus kam: nichts.

1948 dann startete in Chile – auf Initiative des Präsidenten des dortigen Hauptstadtklubs Colo Colo, Robinson Álvarez – das Campeonato Sudamericano de Campeones. Hier wurden erstmals die Meister des Subkontinents zusammentrommelt. Sieben Champions kickten im Estadio Nacional. Jeder gegen jeden. Am Ende gewann – unbesiegt – Vasco da Gama aus Rio de Janeiro. Diese Carioca-Generation erarbeitete sich ebenso leichtfüßig wie verdient den Beinamen »Siegesexpress«. Erst 1990 gab die Conmebol (in einem selbstpublizierten Buch zur Geschichte der Libertadores) halboffiziell zu: Bei dem Wettbewerb von 1948 habe es sich möglicherweise um einen Vorläufer der Libertadores gehandelt. In offiziellen Statistiken indes findet das Turnier keine Erwähnung. Anders gesagt: Der Verein aus Rio hat bis heute keine Punkte im Conmebol-Ranking erhalten. Auf einem anderen Blatt steht, dass das Turnier von Santiago de Chile die Europäer mächtig inspirierte, 1955 gar zur Einführung des Europapokals der Landesmeister, heute Champions League, führte.

Gegenwart

Seit 2017 heißt der Wettbewerb offiziell Copa Conmebol Libertadores. In den sechs gekickten Copas gewannen fünfmal brasilianische Teams. In den letzten drei Finals (ausgenommen des gerade zu Ende gegangenen) standen sich ausschließlich Mannschaften aus Brasilien gegenüber. Überhaupt dominierten die Brasuca-Klubs das südamerikanische Treiben, mitbedingt durch die wirtschaftliche Dauerkrise Argentiniens, zuletzt nahezu nach Belieben.

Anders 2023, im Finale: Fluminense aus dem brasilianischen Rio de Janeiro gegen Boca Juniors aus Buenos Aires in Argentinien. Zu Gebot stand der erste internationale Titel für Fluminense oder der siebte Libertadores-Triumph für Boca Juniors, womit Boca mit Rekordgewinner CA Independiente aus Avellaneda (Conurbano von Buenos Aires) gleichgezogen haben würde. Die letzte Libertadores hatte Independiente zwar vor beinahe 40 Jahren gewonnen, doch bis zum Millennium waren sie statistisch gesehen noch der erfolgreichste Vereinsklub der Welt gewesen. Seit dem Weltpokaltriumph von 1984 in Tokio gegen den FC Liverpool von Kenny Dalglish und Ian Rush verläuft die Performance der Roten Teufel quasi identisch mit der des Hamburger SV – also unterirdisch.

Zurück in die jüngere Vergangenheit. Boca Juniors hatte eine leichte Gruppe erwischt, gewann sie hauptsächlich wegen zweier klarer Siege gegen Colo Colo. In den K.-o.-Runden spielte Boca sechsmal Unentschieden (viermal 0:0), musste dann entsprechend oft in den Elfmeterwettbewerb. Fluminense deklassierte in der Gruppe Argentiniens Rekordmeister River Plate mit 5:1 und zitterte sich durch die Halbfinals gegen Internacional (Porto Alegre) ins Heimfinale im Maracanã von Rio de Janeiro.

Das Finale

Die erste Halbzeit des Finales am Sonnabend war trotz ausbleibender Tormöglichkeiten recht spannend. Fluminense hatte rund 70 Prozent Ballbesitz, aber das sah man nicht – Boca wirkte souverän. Nach gut einer halben Stunde die kalte Dusche: Der aus Posadas, Misiones, stammende Argentinier Germán Ezequiel Cano (mit 13 Treffern Torschützenkönig der Copa) notierte nach einer Unachtsamkeit des peruanischen Nationalspielers Luis Advíncula mit einem plazierten Schuss aus Höhe des Sanktionspunktes die Führung für die Brasilianer. Ein Tor wie aus dem Nichts. Abgezockt. Über die rechte Seite hatte Boca (wie erwartet) nichts zu melden, dort warteten bereits der Ex-Merengue Marcelo (35) und Abwehrchef Felipe Melo (40). Melo verließ den Platz kurz nach dem Wechsel, angeblich verletzt, Marcelo ging, kurz nach dem Ausgleich von Advíncula (Traumtor), 20 Minuten vor Schluss. Danach wechselten beide Trainer hurtig Stars aus, Edinson Cavani (bei Boca) und Paulo Henrique Ganso (beim Flu). Auch Bocas Schmuckstück Valentín Barco (19), einem solchen Finale noch nicht gewachsen, musste weichen. Fernando Diniz Silva, zur Zeit auch Interimstrainer Brasiliens, hatte ein glücklicheres Händchen: Dem eingewechselten John Kennedy gelang in der Verlängerung mit einem satten Schuss das 2:1, nach einem Bad in der Menge wurde der Schütze jedoch zum Duschen geschickt. Schließlich flog Bocas Frank Fabra nach einer Watschen vom Platz. Es blieb beim 2:1 für Fluminense.

Für Bocas Trainer Jorge Almirón ist es bereits das zweite verlorene Libertadores-Finale, sein Job hängt am seidenen Faden. Eine Qualifikation Bocas für die Libertadores 2024 scheint unwahrscheinlich. Bleibt nur noch der argentinische Pokal, bei dem Boca im Halbfinale steht.

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