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Aus: Ausgabe vom 02.11.2023, Seite 1 / Titel
Krieg gegen Gaza

Friedhof für Kinder

Israel bombardiert Flüchtlingslager Dschabalija erneut. Hunderte weitere Opfer, UNO warnt vor Krankheiten und Wassermangel
Von Knut Mellenthin
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Bild der Zerstörung und der Verzweiflung: Suche nach Überlebenden im Dschabalija-Flüchtlingscamp (Gaza, 1.11.2023)

Tod und Zerstörung im palästinensischen Gazastreifen gehen weiter. Die israelische Luftwaffe hat am Mittwoch am zweiten Tag hintereinander das Flüchtlingslager Dschabalija mit Bomben und Raketen attackiert. Mehrere Gebäude stürzten ein, unter deren Trümmern sich noch weitere Opfer befinden können. Das Gesundheitsministerium in Gaza schätzte die Gesamtzahl der Toten und Verletzten in Dschabalija am Dienstag auf etwa 400, darunter erneut zahlreiche Kinder. Über den zweiten Angriff waren bis jW-Redaktionsschluss keine genauen Zahlen bekannt. Die UNO ging am Mittwoch nachmittag von Dutzenden Zivilisten aus, die bei dem Angriff getötet wurden.

In sozialen Netzwerke kursierten sofort schreckliche Bilder von verstümmelten Leichen. Vor dem nahe gelegenen Indonesischen Krankenhaus waren Reihen weißer Leichensäcke zu sehen. Die Klinik wurde mit Verletzten überschwemmt, berichtete dpa. Die Al-Kassam-Brigaden erklärten, unter den Toten befänden sich auch sieben der insgesamt mindestens 240 in Gaza festgehaltenen Geiseln, darunter drei ausländische Staatsbürger. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Am Mittwoch morgen dann erneut über Stunden ein Totalausfall der Kommunikations- und Internetdienste.

Insgesamt wurden nach offiziellen Angaben bis zum frühen Mittwoch nachmittag 8.796 Palästinenser getötet. 3.648 von ihnen sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren gewesen. Offizielle israelische Stellen zweifeln diese Angaben immer wieder an, und auch US-Präsident Joseph Biden war sich vor einigen Tagen nicht zu schade, in den Chor der Leugner einzustimmen. Tatsache ist aber, dass diese Größenordnung von verschiedenen UN-Unterorganisationen bestätigt wird, die im Gazastreifen Gesundheitszentren, Krankenhäuser und Schulen mit Hunderten von Mitarbeitern betreiben, soweit das unter den Angriffen der IDF und der israelischen Blockade von Wasser, Strom und Treibstoff noch möglich ist.

Das israelische Militär – abgekürzt IDF für »Israel Defense Forces« – behauptete wie üblich, der Angriff auf Dschabalija habe ausschließlich einer Gruppe von Kämpfern der Hamas gegolten, die in diesem Flüchtlingslager eine »Hochburg« habe. Palästinensische und internationale Medien haben keine Möglichkeiten, derartige Aussagen zu überprüfen. Ihre Arbeit wird durch die wahllos erscheinenden israelischen Angriffe stark behindert – bis Mittwoch wurden bereits 31 Journalisten getötet. Angesprochen auf die getroffenen Zivilisten hatte ein IDF-Sprecher am Dienstag abend gegenüber CNN erklärt, das sei »die Tragödie des Krieges«. »Wir sagen schon seit Tagen, zieht nach Süden.« Die Gesamtzahl der »Terrorziele«, die seit Kriegsbeginn am 7. Oktober angegriffen wurden, wurde von den IDF am Mittwoch mit 11.000 angegeben. Nach den Erzählungen der IDF werden ausschließlich »Terrorziele« bombardiert oder beschossen, was nach den vorliegenden Berichten mit Sicherheit weit von der Wahrheit entfernt ist. Nach Zählung des Senders Channel 14 wurden bislang mindestens »9.525 Terroristen eliminiert«.

Der Küstenstreifen, in dem zwischen zwei und 2,3 Millionen Menschen leben, sei »zum Friedhof für Tausende Kinder geworden«, hatte am Dienstag UNICEF gemahnt. Zu den Luftangriffen kommen demnach als Folge des extremen Wassermangels die Ausbreitung von Krankheiten und die Gefahr lebensbedrohlicher Austrocknung hinzu. Mindestens 6.300 Kinder seien bei den israelischen Angriffen verletzt oder getötet worden: an jedem einzelnen Tag im Durchschnitt 420 palästinensische Kinder.

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  • Leserbrief von Manfred Pohlmann aus Hamburg (2. November 2023 um 14:12 Uhr)
    Zwei Tatsachen sollten wir im Zusammenhang mit dem Krieg im Nahen Osten nicht aus den Augen verlieren: ein jüdischer Staat, der nicht nur symbolisch das Ende unendlichen Leids u. hoffentlich auch das Ende von Pogromen und Diskriminierungen bedeutet, sollte Grundvoraussetzung jeglicher Politik sowohl innerhalb wie außerhalb dieses Staates sein. Die Tatsache, dass dieser Staat sich seit seiner Gründung bürgerlich-kapitalistisch entwickelt hat, bedeutet nichts anderes, als dass sich auch in ihm reaktionäre bis protofaschistische Tendenzen, wie in jedem anderen Staat dieser Prägung, herausbilden können. (…) J. Jaurès: »Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen.«
    Wenn wir über das heutige Polen mit seinen klerikal-faschistischen Zügen kritisch berichten, sollten wir ähnlich auch über die Entwicklung Israels diskutieren und kritisieren. Hinzu kommt geostrategisch die Tatsache, dass insbesondere der US-Imperialismus einen zionistisch geprägten Staat als Brückenpfeiler in Nahost bestens instrumentalisiert. Die zweite Tatsache ist gegeben durch das Schicksal der Palästinenser, die bis heute nicht verhindern konnten, dass ihr Grundrecht auf Leben und Sicherung ihres Eigentums, sowie ein Leben in Frieden, momentan zum Scheitern verurteilt ist. Das hat zum einen mit der oben beschriebenen Tatsache des zionistischen Staates, aber auch mit dem Stand der Gegenkräfte zu tun.
    Genauer: solange Teile der arabischen und iranischen Welt die Lösung dieses Konflikts darin sehen, die Juden und den gesamten zionistischen Staat ins Meer zu versenken, ist auch nicht der leiseste Hauch einer realistischen Politik in Richtung Koexistenz zweier Staaten zu spüren. Gaza ist zur Zeit der furchtbarste Ausdruck für die Vergeblichkeit von Gerechtigkeit und Frieden dieser gesamten Region.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (2. November 2023 um 08:16 Uhr)
    Soeben noch haben uns die deutschen Leitmedien mit Bildern aus der Ukraine gefüttert, die uns das Barbarische russischer Kriegshandlungen vor Augen führen und Abscheu davor erzeugen sollten. Den gleichen Medien gelingt es jetzt angesichts der Bilder von toten Kindern und maßloser Zerstörung in Gaza lediglich, die alte Leier des israelischen Generalstabs zu wiederholen, man hätte dort Kommandozentralen der Hamas eliminiert. Die Toten seien quasi selbst schuld, weil sie vor den Bomben nicht davongelaufen wären. Sie seien eher von der Hamas umgebracht worden, die sie als menschliche Schutzschilde missbraucht hätte. Das ist der reale Wertewesten: Er spuckt sogar noch den Toten ins Grab hinterher. Von den Lebenden gar nicht zu reden.

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